strafplanet erde: fleisch und blutwurst von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Es war ein Zufall, den aber ein Gagschreiber, der etwas auf sich hält, problemlos verwendet hätte. Nichts wäre leichter, als einen Zusammenhang zwischen diesen beiden Wirklichkeitspartikeln zu konstruieren: Just als die Grünen ihre rostigen Pflugscharen zu Schwertern umschmiedeten, vulgo dem Einsatz deutscher Soldaten im Ausland eine Dauergenehmigung erteilten, machte der Ökoschlachter bei uns um die Ecke seine eigene Agrarwende und nahm Blutwurst in sein Sortiment auf.

Die schmeckt ausgezeichnet. Und stammt garantiert nicht aus dem Schweinegürtel der Republik, der Gegend zwischen Weser und Ems um Vechta und Cloppenburg, wo ein Drittel der deutschen Tierhaltung konzentriert ist. Aus etlichen niedersächsischen Schweinehälften wird beispielsweise im Badischen Schwarzwälder Schinken und in Oberitalien Parmaschinken gemacht, während aus den Mastfabriken am Herkunftsort jährlich etwa 200 Tonnen Antibiotika mit der Gülle auf die Scholle gesprüht werden. Das hat ungeahnte Folgen, wie vor einigen Tagen eine Agenturmeldung enthüllte. Die „fruchtbarsten Familien ganz Deutschlands“ leben in den Landkreisen Cloppenburg und Vechta. 1.000 Cloppenburger generieren 13,9 Kinder, in Vechta liegt die Quote bei glatten 13,0. Auf dem dritten Platz im Ranking der Rangen liegt Erding in Bayern, wo allerdings die Situation angesichts des nahrhaften Weizenbiers anders zu bewerten ist und hier nur im Schnelldurchlauf interessiert, denn der ebenfalls niedersächsische Kreis Emsland ist Erding knapp auf den Fersen. Rolf Dieter Brinkmann schrieb dazu in seinem Gedicht „Notizen zu einer Landschaft bei Vechta i. O. für H. P.“: „wie viele sind hier / stumm geboren worden / und geblieben.“

Aber jenseits des sublimierenden Kunstwollens stellen sich natürlich (!) für die nahe Zukunft Multitask-Fragen: Wie versorgen wir den Nachwuchs der wie die Säue werfenden Landbevölkerung mit Arbeitsplätzen? Wie nutzen wir nachhaltig die vorhandenen ökonomischen Ressourcen? Wie halten wir die vielen Menschen möglichst lange am Leben? Das kann nur die Verbindung von Tradition und High Tech sicherstellen, d. h. nichts anderes als die prosperierende Xenotransplantationswirtschaft, die ja das eigentliche Ziel der Klonerei ist, nicht etwa die Duplizierung von Individuen. Wen der Parkinson schüttelt, kriegt embryonale Schweinezellen ins Gehirn implantiert, da sich „die Nervenzellen der Borstentiere gut im Hirn des Menschen einleben“ (Tagesspiegel vom 27. Mai). Ganze Ferkel werden umgerüstet zu Organspendern, eins nach dem andern. Schon heute unterstützen Schweinezellen angegriffene menschliche Lebern oder die Bauchspeicheldrüse von Diabetikern.

Dass es noch zahllose Probleme zu bewältigen, Immunbarrieren zu überwinden, Abstoßungsreaktionen zu kontrollieren gibt, sei konzediert; aber auch die Behauptung Herbert Achternbuschs, dass die Frage „Haben Sie ein Hirn?“ einwandfrei nur der Metzger beantworten könne, muss unter veränderten Vorzeichen neu diskutiert werden. Ein andermal.