Prodi will aufräumen

EU-Kommissionspräsident unterbreitet Reformen. So soll die Institution nach der Erweiterung arbeitsfähig bleiben. Doch vorher muss der Nizza-Vertrag in Kraft treten

BRÜSSEL taz ■ Die Einsicht, dass sich in der EU noch vor der nächsten Beitrittsrunde etwas ändern muss, scheint zu wachsen. Reformvorschläge von Rat und Europaparlament liegen vor. Da will auch die Kommission nicht zurückstehen. In der ihm eigenen faserigen Art erläuterte Kommissionspräsident Romano Prodi gestern in Brüssel, wie er seine Mannschaft im Lauf des kommenden Jahres neu organisieren will. Bevor neue Mitglieder einziehen, soll sein Haus aufgeräumt sein. Mit wagen und einander widersprechenden Ideen trieb der Italiener auch gestern wieder seine Dolmetscher zur Verzweiflung. Wenn Prodi spricht, fragen sich Übersetzer und Zuhörer, ob sie den roten Faden übersehen haben oder ob er nicht vorhanden ist.

Prodis Pressestelle mühte sich anschließend, das Durcheinander aufzulösen. Sie verschickte eine Zusammenfassung, die in wesentlichen Punkten von Prodis Vortrag abwich. Die Kommission sucht, ähnlich wie der Rat, nach praktikablen Lösungen für die Frage, wie Tischrunden mit demnächst 25 Teilnehmern handlungsfähig bleiben sollen. Im Vertrag von Nizza steht, dass nach der nächsten Erweiterungsrunde jedes Land in der Kommission vertreten sein muss.

Da ein Kabinett aus 25 Kommissaren zu schwerfällig wäre, will Prodi die Ressorts neu ordnen – parallel zu den Arbeitsbereichen in Rat und Parlament. Für die wichtigsten Politikfelder will er Superkommissare benennen. So könnte Chris Patten die auswärtigen Beziehungen koordinieren. Erweiterungskommissar Verheugen, Außenhandelskommissar Lamy und Entwicklungshilfekommissar Nielson wären diesem Vizepräsidenten zugeordnet. Denkbar wäre auch ein Koordinator für Wirtschaftsfragen. Zu seinem Zuständigkeitsbereich könnten die Unterabteilungen Binnenmarkt (Bolkestein), Wettbewerb (Monti) und Budget (Schreyer) gehören. Die Vizepräsidenten sollen wöchentlich zusammenkommen und in ihren Arbeitsgruppen Entscheidungen vorbereiten. Das letzte Wort soll das gesamte Kollegium haben.

Prodi betonte, dass die Koordinatoren nicht danach ausgewählt werden, wie groß und einflussreich ihre Herkunftsländer sind. Er werde auf der Grundlage der persönlichen Qualifikation seine Entscheidung treffen. Zwar könne er, sobald der Nizza-Vertrag in Kraft ist, allein die Ressorts neu zuschneiden und die Kommissare den Arbeitsbereichen zuordnen. Er werde aber das ganze Kollegium in seine Beschlüsse einbinden.

Diese Ideen haben den Vorteil, dass sie ohne weitere Vertragsänderungen umzusetzen wären. Denn niemand weiß, was beim Reformkonvent und der Regierungskonferenz herauskommt. Die Erfahrungen mit Amsterdamer- und Nizza-Vertrag lassen Böses ahnen. Der Nizza-Vertrag ist bis heute nicht in Kraft. Die Iren haben dagegen gestimmt. Wenn Irland seine Meinung nicht ändert, sind auch Prodis Ideen hinfällig. Denn die Machtfülle, die er braucht, um sein Haus aufzuräumen und Platz für neue Bewohner zu schaffen, gibt ihm nur der Vertrag in Nizza.

DANIELA WEINGÄRTNER