Der endlose Weg des Reza N.

Wie der Staat durch die Verschleppung seines Asylantrages einen schwulen Iraner zwingt, illegal zu bleiben – und ihm eine zweite Chance in den Niederlanden verbaut

„Wir finden bundesweit keinen Amtsarzt, der Homosexualität bescheinigt“

NÜRNBERG taz ■ Reza Norouzi liebt das Leben. Und die Männer. Deshalb ist der ehemalige Schwimmer der iranischen Nationalmannschaft 1995 aus seiner Heimat über die Türkei nach Deutschland geflohen.

Seitdem wartet er. Erst auf die Entscheidung über seinen Asylantrag, dann über den Folgeantrag. Seit über einem Jahr verschleppt das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge das Verfahren des 31-Jährigen. Für Norouzi ist jeder Tag Warten ein Risiko: Denn der schwule Iraner ist seit September 2000 untergetaucht, weil er in seinem Wohnheim misshandelt wurde.

In letzter Sekunde ist Norouzi vor sieben Jahren aus Teheran geflohen – als die Revolutionswächter schon sein Elternhaus stürmten. Sein Geliebter wurde verhaftet, gefoltert und hingerichtet. Aber das glaubte ihm das Bundesamt nicht – sein Asylantrag wurde abgelehnt: Es meinte, „dass ganz andere Gründe“ Anlass waren, „den Iran zu verlassen“. Gleichzeitig geriet der Iraner in seiner Unterkunft im sächsischen Plauen unter Druck: Als seine muslimischen Mitbewohner herausfanden, dass er schwul ist, schmissen sie ihn aus seinem Zimmer und verprügelten ihn.

Norouzi stellte einen Antrag auf Umverteilung nach Schleswig-Holstein, wo er mittlerweile einen Freund hatte – aber das Bundesamt lehnte ab, trotz Unterhaltsverpflichtung des Freundes. Um den Schikanen in Plauen zu entgehen, tauchte der Iraner unter. Im November 2000 gelang es Norouzi, aus dem Iran den Haftbefehl gegen sich zu besorgen. Doch dem Bundesamt reichte das nicht für die Eröffnung eines Asylfolgeverfahrens: Das Dokument sei gefälscht.

Erst nachdem die taz im Juli vergangenen Jahres über Norouzis Fall berichtet hatte, lenkte das Amt ein und gewährte ihm ein Folgeverfahren. Doch das zieht sich hin: Erst rührte sich das Amt lange gar nicht – dann forderte es ein medizinisches Gutachten an, das bestätigen soll, dass Norouzi „irreversibel“ schwul ist. „Wir finden bundesweit keinen Amtsarzt, der so etwas bescheinigen würde“, sagt seine Anwältin Sigrid Töpfer. Lediglich das Institut für Sexualforschung am Hamburger Universitätskrankenhaus Eppendorf sei dazu bereit – dort aber will das Bundesamt die Untersuchung nicht bezahlen.

Für Norouzi ist die Wartezeit nicht nur wegen des Aufenthaltsortes problematisch. Er braucht die Entscheidung des Bundesamtes auch, um eine neue Chance wahrnehmen zu können, die sich ihm in den Niederlanden bietet. Denn diese gewähren bei bestimmten Fluchtgründen – darunter Homosexualität – von anderen Staaten abgelehnten Asylbewerbern eine zweites Verfahren. Bedingung ist aber, dass der Flüchtling im Erstaufnahmeland alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft hat. Somit wäre selbst eine Ablehnung seines Asylfolgeantrages ein Fortschritt für Norouzi. Wenn nur das Warten in der Illegalität ein Ende hat.

HEIKE DIERBACH