Rot-grüne Rente wird sicherer

Bundesregierung kalkuliert mit höheren Sozialabgaben für 2003. Rentenbeitrag könnte von 19,1 auf 19,3 Prozent steigen. Ökosteuer und Privatisierung gleichen die schlechte Wirtschaftsentwicklung nicht aus. Reformpolitik in der Sackgasse

von HANNES KOCH

Eine ganz schlechte Nachricht kommt da aus dem Hause von Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD). Im Jahr 2003 könnten die Rentenbeiträge steigen, die Beschäftigte und Betriebe an die Sozialversicherung zahlen müssen. Das unterstellt die rot-grüne Regierung im Entwurf des Bundeshaushaltes 2003, der heute vom Kabinett beschlossen wird. Bislang strichen SPD und Grüne als Erfolg ihrer Politik stets heraus, die Rentenbeiträge stabilisiert zu haben.

Erst in der vergangenen Woche erklärte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering mit großer Verve, dass es beim aktuellen Beitragssatz von 19,1 Prozent bleibe. Gestern jedoch sagte eine Sprecherin des Arbeitsministeriums, dass man für 2003 von einem „kalkulatorischen“ Rentenbeitrag von 19,3 Prozent ausgehe. Bei einem Bruttogehalt von 2.500 Euro macht das eine Zusatzbelastung von fünf Euro monatlich aus. Diese tragen Beschäftigte und Unternehmen je zur Hälfte.

Ist der Betrag auch noch so klein, wichtig ist hier die politische Symbolik. Rot-Grün hat seit 1998 alles dafür getan, die Sozialabgaben im Griff zu behalten. Denn sie gelten als wesentliche Bremse der Wirtschaft. „Niedrigere Beiträge, mehr Jobs“, lautete die Gleichung. Die Einführung der Ökosteuer wurde denn auch damit gerechtfertigt, dass die neuen Einnahmen verwendet würden, um die Rentenkasse zu sanieren. Auch die teilweise Privatisierung der Rente durch Arbeitsminister Riester diente diesem Zweck. Es wird der Regierung nun schwerer fallen, auf ihre Erfolgsbilanz zu verweisen.

Endgültig beschlossen werde die Beitragshöhe für 2003 freilich erst im Herbst, sagte Riesters Sprecherin gestern. „Wir stehen zu unserem Ziel, die Beiträge stabil zu halten.“ Dafür, dass es anders kommen könnte, ist vor allem die Konjunktur verantwortlich: Das Wachstum des deutschen Bruttoinlandsprodukts bleibt weit hinter den Erwartungen zurück. Die Lohnsumme und damit auch die Sozialabgaben fielen deutlich niedriger aus als vor Jahresfrist prognostiziert. Mehr Arbeitslose zahlen weniger oder keine Beiträge.

CDU-Rentenexperte Andreas Strom sprach gestern von „Wählertäuschung“, FDP-Wirtschaftspolitiker Rainer Brüderle diagnostizierte den „Bankrott rot-grüner Rentenpolitik“. Vor einer Woche freilich hatte Ex-Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) selbst höhere Beiträge im Fall eines Regierungswechsels in Aussicht gestellt. Damals hatten sich SPD und Grüne an der missglückten Äußerung geweidet und Seehofer dazu gebracht, öffentlich zu widerrufen.

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