Der perfekte Plan

Eichels Wunder: Schulden runter, Ausgaben runter, Einnahmen hoch – alles klappt. Ja, geht das denn?

aus Berlin HANNES KOCH
und KATHARINA KOUFEN

Es ist der perfekte Haushalt. Alles stimmt. Das wollte Bundesfinanzminister Hans Eichel gestern demonstrieren, als er den Bundesetat für das Jahr 2003 vorstellte. „Unter Kohl lief das anders“, ließ er bei jeder Gelegenheit durchblicken. Nicht Amtsvorgänger Theo Waigel von der CSU, sondern er, der SPD-Minister, schafft die finanzpolitische Quadratur des Kreises.

Betont lässig präsentierte Eichel sein Zahlenwerk als Meisterstück der rot-grünen Regierung. Kurz zuvor, am Vormittag, hatte das Bundeskabinett bereits seinen Segen erteilt. Alle sollen nun wissen: Der Finanzminister arbeitet solide, und er tut auch noch Gutes. Und das alles angesichts miserabler wirtschaftlicher Rahmenbedingungen. Was soll die Opposition da noch sagen? „Unsere Ausgaben sind bezahlbar – was uns von anderen unterscheidet“, ätzte Bundeskanzler Gerhard Schröder in Richtung seines Herausforderers Edmund Stoiber.

Die Botschaft drei Monate vor der Wahl lautet: Die SPD kann Sparen, Gestalten und Gerechtigkeit miteinander verbinden.

Im Einklang mit dem europäischen Konsolidierungspakt soll die Neuverschuldung von 21,1 Milliarden Euro (2002) auf 15,5 Milliarden im kommenden Jahr sinken. Ein Schritt weiter auf dem Weg zu Eichels großen Zielen: dem „nahezu ausgeglichenen Haushalt“ 2004 mit dann noch 10 Milliarden Nettokreditaufnahme und dem Null-Schulden-Etat 2006.

Zur Sanierungspolitik, Eichels Markenzeichen, gehört auch, die Ausgaben zu kürzen. Das scheint ebenfalls gelungen zu sein: Ein Minus von 1,2 Milliarden Euro (0,5 Prozent) steht auf dem Papier der Kabinettsvorlage. Weil gleichzeitig die Zinszahlungen für die Bundesschuld abnehmen und die Steuereinnahmen um fast 6 Milliarden steigen – unter anderem durch die weitere Stufe der Ökosteuer ab Januar –, kann sich der Finanzminister trotzdem gleichzeitig als politischer Gestalter darstellen – sozialdemokratisches Flair inmitten einer Wüste der Buchhalterei.

So steigt der Etat von Heidemarie Wieczorek-Zeul. Die SPD-Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit bekommt offiziell 100 Millionen Euro mehr als 2002. Mit 3,8 Milliarden Euro entspräche ihr Haushalt, sollte die Wirtschaft im nächsten Jahr tatsächlich um 2,5 Prozent wachsen, einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von knapp über 0,27 Prozent. Anvisiert hat die Regierung, die staatlichen Ausgaben für Entwicklungshilfe bis 2006 auf 0,33 Prozent des BIP anzuheben. Trotzdem hat der Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) jetzt gerade mal die Höhe überschritten, die er – prozentual gesehen – vor Antritt der rot-grünen Regierung hatte. Der letzte Entwicklungsetat der Regierung Kohl lag bei 7,7 Milliarden Mark. Das entsprach 0,26 Prozent des Bruttosozialprodukts. Zum allgemeinen Haushalt hinzu erhält das BMZ allerdings jährlich 80 Millionen Euro aus dem Terrorbekämpfungsfonds der Bundesregierung.

An solchen Punkten hakt die Opposition ein. „Trickserei“ wirft CDU-Finanzexperte Dietrich Austermann der Regierung vor. Mitnichten nehme der Entwicklungsetat zu. Die angeblich zusätzlichen 100 Millionen habe Wieczorek-Zeul schon vergangenes Jahr unter anderem für Aufbaumaßnahmen in Afghanistan bekommen – nur sei das Geld woanders verbucht gewesen.

Doch nicht nur bei Union, FDP und PDS zweifelt man an der Eichel’schen Erfolgsstory, eine gewisse Distanz ist mitunter auch beim grünen Koalitionspartner zu spüren. „Eichel fährt den Haushalt auf Kante“, sagt Finanzspezialist Oswald Metzger, der wegen seines Abgangs aus dem Bundestag kein Blatt vor den Mund nehmen muss. So kann die ganze Rechnung nur dann klappen, wenn die Wirtschaft im kommenden Jahr um 2,5 Prozent wächst. Die großen Wirtschaftsforschungsinstitute haben im April etwas weniger prognostiziert (2,4 Prozent) – und allenthalben wird darüber philosophiert, ob der nächste Konjunktureinbruch vor der Türe steht.

Doch Eichel wäre nicht Eichel, wenn er die Ausgaben im Falle schlechterer Konjunktur nicht noch ein bisschen mehr reduzieren könnte. Der Subtext der Haushaltsbotschaft richtet sich an die Europäische Zentralbank: „Wir arbeiten solide – ihr braucht die Zinsen nicht zu erhöhen.“ Steigende Kosten für die Staatsschuld würden Eichel nämlich wirklich in Bedrängnis bringen.