„Vorwärts, Ihr Lieben!“

Sie spielten fast in Fußball-Mannschaftsstärke / Die Mexikanische Kultband „Los de Abajo“ gastierte jetzt im Schlachthof und veranstaltete einen grandiosen Triumphzug für und mit dem Publikum

Sie waren im Oktober schon einmal hier und hatten auf ganzer Linie überzeugt. Nun wiederholten sie diesen Erfolg: Los de Abajo („Die von unten“) aus Mexiko Stadt – Teil einer vitalen Szene, die sich unbekümmert dessen bedient, was an traditionellen Stilen in der Luft liegt, ebenso wie dessen, was von Norden via Radio und MTV kommt. Ska, Dub, Salsa, Merengue, Samba, (Punk-)Rock, Rap und noch so einiges mehr – sogar ein paar Fetzen technoider Tanzmusik –, wobei die zehn Musiker von Los de Abajo immer die Tanzbarkeit betonen, nie in muckerhafte Angeberei verfallen. Ergänzt wird dies durch die angenehm kollektive Spielweise, die mit solistischen Exzessen spart, dafür bestrebt ist, die Intensität zu erhalten.

Das Konzert am Mittwoch eröffnete der bandeigene DJ mit einem deutschsprachigen Sample – „Vorwärts, Ihr Lieben ...“ –, bevor der Rest der Band einstieg. Und beinahe unmittelbar begann die angenehm gefüllte Kesselhalle im Schlachthof zu brodeln. Ihre Art, die verschiedenen Stile zu kombinieren, ließ zwar durchaus an manche Band aus der vor zehn Jahren boomenden Crossover-Szene denken, hier aber eher an „Fishbone“ als etwa an „Faith No More“.

„Los de Abajo“ verschmelzen, anstatt zu fragmentieren, sie sind umarmend, statt zynisch oder ironisch, sie sind bereit, über sich selbst zu lachen. Und nicht zuletzt haben sie natürlich das politische Herz am rechten Fleck: „Viva Zapata!“, schallte es mehrmals von der Bühne, und der Gitarrist trug ein Shirt mit Che Guevara vorne drauf – und dem Schriftzug „Rage Against The Machine“.

Und so tobten sie unverdrossen durch ihr Repertoire, nur für ein, zwei Stücke nahmen sie den Druck raus, was ihnen wahrscheinlich richtig schwer fiel, angesichts der ausgelassenen Spielfreude, die sie auch bei der dritten, unter Saallicht erklatschten Zugabe noch versprühten. Bemerkenswert, wie sich dies an der bedenklich dynamischen Wechselwirkung mit dem Publikum nährte, sodass schließlich alle flächendeckend tanzten, sangen und zwischen den Stücken euphorisch jubelten bis die Band ihren mitreißenden Strom beseelt vorantrieb und mit noch mehr Genuss die Mariachi-Bläser einsetzen ließ. Die Polonaise Mexikanese geriet schließlich zum (wörtlich zu nehmenden) Triumphzug durchs und mit dem Publikum vor der Bühne.

So gehen sie im Grunde den gleichen Weg wie Calexico, nur in entgegengesetzter Richtung – von Süd nach Nord eben, also mexikanische Stile als Basis für einen wilden Mix aus angloamerikanischen Weisen. Am Schluss bekam nicht nur der Mixer sondern auch der Bühnenhelfer seinen Applaus. Auch hier also noch das Beharren auf dem Kollektiv. Insgesamt: Eine sympathische Band mit einem mitreißenden Konzert.

Andreas Schnell