Rührend bemüht, wild zu sein

Sich selbst zu quälen, damit andere glücklich sind: Andrew W. K. gab alles bei einem Konzert im Columbia Fritz. Nur die Berliner ließen ihn im Stich, als ob sie keine Musikzeitschriften lesen würden

von ANDREAS HARTMANN

Stagediver hätten sich das Genick gebrochen. Es wollten so deprimierend wenige den Rock-Hype der letzten Monate sehen, dass mit den paar Hanseln niemals eine Menge zustande gekommen wäre, die den Sprung von der Bühne zu einem kalkulierbaren Risiko gemacht hätte. Andrew W. K und Band traten im Columbia Fritz auf, dabei hätten sie nicht mal den Knaack-Club halb füllen können.

Vielleicht ist der Zuschauerflop bei diesem Konzert aber auch der Ausdruck eines Missverhältnisses zwischen medialer Begeisterung und völligem Unverständnis beim Zielpublikum. Denn vor allem in England, aber bald darauf auch bei uns, hatte man Andrew W. K. zum Retter des Rock hochgejazzt, der den Britpopweicheiern und sonstigem unrockigen Geschmeiß endlich gehörig in die Suppe spuckt. Dabei wurde der zarte Unterschied zwischen ihm und all den Nu-Metal-Bands erkannt. Grob kann man sagen, eine Band wie P.O.D. ist stumpf, Andrew W. K. dagegen stumpf und originell. Doch wie bereits Thomas Bernhard wusste, stehen die Menschen mehr auf Stumpfsinn und fühlen sich von Originalität eher belästigt. Die Berliner Rocker scheinen Andrew W. K. eben einfach nicht kapiert zu haben.

Andrew W. K. ist keine dieser Rockmaschinen, die ihre ritualisierten Allüren zur Grabenziehung zwischen sich und dem Publikum einsetzen. Auf seiner Homepage schreibt er: „In meinem Leben will ich mich so gut wie möglich fühlen und so vielen Menschen wie möglich helfen, sich genauso zu fühlen.“ Und: „Diese Musik ist viel größer als ich.“ Und so ging es zur Sache, als würde er in einem gefüllten Baseballstadion auftreten und nicht in einer Atmosphäre wie in einem mittelprächtig gefüllten Jugendzentrum. Wie ein wildes Tier rannte er auf der Bühne herum, von der Bühne herunter, suchte den Kontakt zum Publikum, nahm Leute in den Arm, hob irgendwann sogar einen Fan auf seine Schultern und sorgte sich beinahe rührend darum, dass die wenigen, die gekommen waren, eine gute Zeit hatten.

Während im Nu Metal alles an Arbeit und körperliche Ertüchtigung erinnert, setzt Andrew W. K. auf das reine Vergnügen. „Party Hard“ heißt sein großer Hit, und der ist Programm. Seine Mischung aus Ramones und allen Spielarten des Metal ist so einfältig wie begnadet. Alle Songs klingen irgendwie gleich, aber alle sind auch gelungene Mitgrölnummern, zu denen man am liebsten mit dem Kopf gegen die Wand rennen möchte. Auf seiner aktuellen Platte „I get wet“ ist Andrew W. K. mit einer blutenden Nase zu sehen. Nein, hier wurde keine zu lange Line gezogen, sondern Andrew W. K. hat sich, nach eigener Auskunft, gerade mit einem Ziegelstein ins Gesicht geschlagen. „Das ist meine Art zu sagen, dass wir mit aller Gewalt und Aggressivität versuchen, so viel Spaß wie möglich zu haben.“ Hier war einer bereit, sich selbst zu quälen, damit andere glücklich sind. Und wenn die anderen glücklich sind, ist er es auch. Und das sah man Andrew W. K. an diesem Abend wirklich an.