100 Dollar für den Boulevard

Rumlümmeln auf höchstem Niveau: Die US-amerikanischen Fußballer und allen voran ihr Coach Bruce Arena geben sich vor dem Viertelfinale gegen die DFB-Elf selbstsicher und schlagfertig

aus Seoul RALF ITZEL

Das Mariott-Hotel im Herzen der koreanischen Hauptstadt ist für die Fußballspieler der Vereinigten Staaten ein zweites Zuhause geworden. Je länger der Aufenthalt dauert, desto wohler fühlen sie sich. Es wohnen ja auch jede Menge Freunde und Bekannte in der riesigen Nobelherberge. Ein knappes Dutzend Landsleute hat Donnerstagmorgen beispielsweise Clint Mathis um sich versammelt. Mit einem Bein über der Lehne fläzt der junge Mann auf einem der Sessel in der Lobby, die so groß ist wie ein Fußballplatz. Den 25-Jährigen mit dem wilden Irokesen-Schnitt scheint es nicht sonderlich nervös zu machen, dass er am heutigen Freitag in der Startelf auflaufen dürfte. Er war es, der im März in Rostock beide Tore bei der 2:4-Niederlage gegen die DFB-Elf erzielte. Ob der Stürmer aus New York wie vermutet wirklich der einzige Neue sein wird, wissen allein der liebe Gott – und Bruce Arena. Aber beide sagen es nicht.

Während Mathis unten rumlümmelt, sitzt sein Headcoach im dritten Stock vor einem Strauß Mikrofone. Der Saal für die Pressekonferenz hat die Fläche eines halben Strafraums und scheint in den vergangenen Wochen zusehends geschrumpft zu sein. Je weiter die frechen US-Boys kommen, desto mehr Journalisten interessieren sich für sie, und nun vor dem Viertelfinale drängeln sich Kamerateams aus aller Herren Länder vor Arena. Der 50-Jährige bleibt cool wie ein Eiswürfel. Aber er liebt das Frage-und-Antwort-Spiel, eine smarte Antwort jagt die andere. Als ihn ein deutscher Boulevardreporter auf den berühmten Glückspfennig der DFB-Elf anspricht, ist er gar nicht mehr zu halten. „Wo war er, als sie gegen England 1:5 verloren?“, fragt er, und: „Macht bei dem vielen Geld, das die Deutschen verdienen, wirklich ein Pfennig den Unterschied aus?“ Ob die Amerikaner einen ähnlichen Talisman hätten, will der Reporter wissen. „Vielleicht nehmen wir einen Hundert-Dollar-Schein.“

Der 50-Jährige im Scheinwerferlicht ist auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Bisher war ihm eher ein Schattendasein vorbehalten. Aus der Zeit als aktiver Torhüter steht ein einziges Länderspiel zu Buche, 1973 gegen Israel (0:2). Den ersten Profivertrag unterschrieb er zwei Jahre später bei den Montreal Québecois – als Lacrosse-Spieler. Im Fußball ging es erst als Trainer richtig aufwärts. Mit der Universität Virginia hält er einen Rekord, wie ihn die Amerikaner lieben: 80,8 Prozent Siege in achtzehn Jahren, eine bessere Quote als der legendäre John Wooden, College-Basketballcoach bei UCLA.

Arenas Hochschulkarriere folgten drei erfolgreiche Jahre in der Major League Soccer. 1996 betreute er die Olympiamannschaft in Atlanta, um zwei Jahre später endlich seinen Traumjob zu bekommen. Als erster US-Trainer überhaupt durfte er eine WM vier Jahre lang vorbereiten, er rechtfertigte das Vertrauen durch einen vierten Platz in Sydney und das Viertelfinale jetzt. Arena weiß, was er tut. Schon im April ahnte er beispielsweise, dass die WM zum Großteil in der Vorbereitung entschieden wird: „In unserer Gruppe dürften allenfalls die Koreaner so schnell rennen wie wir.“ Tatsächlich nützte den müden Portugiesen auch ihre Technik nichts.

Das eigene Personal respektiert Arenas Entscheidungen. Wegen seines Fachwissens, aber auch, weil die meisten die Nationalmannschaft als Sprungbrett und folglich ihn dringend brauchen. Zudem kennt man sich seit vielen Jahren. Kapitän Claudio Reyna etwa, ein alter Verbündeter aus den Zeiten in Virginia, ließ sich klaglos vom Zentrum auf die rechte Seite schieben.

Wieder wird Arena ein paar taktische Schachzüge ausgetüftelt haben, um den nächsten Favoriten matt zu setzen. Das Halbfinale findet in Seoul statt, und die Amerikaner hätten gegen ein paar weitere Tage im heimeligen Hotel nichts einzuwenden.