Brücke zwischen Kohl und Stoiber

Seit 13 Jahren erzählt uns das ZDF Heimatgeschichten rund ums „Forsthaus Falkenau“ (19.25 Uhr). Die erstaunlich langlebige Sendung mit dem Oberförster bietet überschaubare Identifikationsangebote und ist ein Hort restaurativer Behaglichkeit

Wird die Welt nur allzu gerne zum globalen Dorf erklärt, so ist im Forsthaus Falkenau das Dorf die Welt

von CLEMENS NIEDENTHAL

Manchmal bedarf es auch im Vorabendfernsehen einer höheren Gewalt. Dann fällt ein Ast vom Baum, trifft einen mürrischen Waldarbeiter am Kopf und bringt diesen dazu, sich noch am Krankenbett mit seinem Sohn zu versöhnen. Meistens aber kommt Martin Rombach auch ohne die Hilfe des Schicksals aus. Jeden Freitag versöhnt der Oberförster den Menschen mit der Natur, die Jugend mit dem Alter und die Frauen mit dem Patriarchat. Jeden Freitag lädt er die Fernsehzuschauer in sein fast schon aseptisch intaktes Miniversum, ein immergrünes Forstrevier im Bayrischen Wald. Nicht weit weg von Passau. Nicht weit weg vom politischen Aschermittwoch der CSU.

In der Tat erscheint das Forsthaus Falkenau in vielen Momenten als ein zur Vorabendserie geronnenes Kontinuum zwischen der Ära Kohl und der Ära Stoiber. Als eines der letzten medialen Derivate jener Wertewelten, wie sie das ZDF – der Adenauer-Sender – in vergangenen Dekaden so ausdauernd wie gerne kolportiert hat. Oder, anders gesagt: Wird die Welt in diesen Tagen nur allzu gerne zum globalen Dorf gemacht, so ist im Forsthaus Falkenau umgekehrt das Dorf die Welt. Ein übersichtlicher Weiler namens Küblach als Hort restaurativer Behaglichkeit. Ein Dorf als Trutzburg vor den Gefahren der Spätmoderne. Rund um das Forsthaus Falkenau ist die Welt noch einfach zu erklären. Und meistens erklärt sie uns der Oberförster höchstpersönlich.

Im idyllischen Küblach werden die Feinde noch klar benannt: der verzogene Unternehmersohn mit dem lauten amerikanischen Motorrad unterm Hintern. EU- Kommissare, die nicht verhindern, dass Billigholz-Importe aus Osteuropa bayrische Waldbauern in ihrer Existenz bedrohen. Ein obendrein vorbestrafter Wilderer, der am Oberförster böse Rache nehmen will. Und immer wieder die Diskothek als Symbol urbaner Dekadenz. Unter der Diskokugel, und diese Haltung eint Martin Rombach etwa mit einem Eduard „Aktenzeichen XY ungelöst“ Zimmermann, entfremdet sich der Mensch von seiner grundguten Natur. Unter der Diskokugel wird das Unheil geboren. Und das nicht nur deswegen, weil der zur Disko gehörende Sky-Beamer vorbeifliegende Zugvögel irritieren könnte.

Vielleicht zufällig wurden die ersten Folgen der erfolgreichen Familienserie ausgerechnet im konservativenWendejahr 1989 ausgestrahlt. Wohl weniger zufällig lassen sich die bisher gedrehten elf Staffeln als Fortsetzung einer liebgewonnenen Gut/Böse-Dialektik aus der Zeit des Kalten Krieges lesen.

Waren es in den ersten Staffeln die plakativen Verweise auf politische und ökologische Miseren in der nahen Tschechoslowakei, ist es inzwischen die Angst vor einem globalisierten Europa, die die Serie als beständiger Subtext begleitet. Die Angst des Publikums wohlgemerkt.

Denn im Forsthaus Falkenau versteht man es geschickt, sich der Sorgen der Zuschauer anzunehmen. Zuschauer, denen in der fünfminütigen Werbeunterbrechung allwöchentlich Produkte vorgestellt werden, bei denen man zu Risiken und Nebenwirkungen besser den Arzt oder Apotheker befragt. Laxoperal Abführperlen oder Poise Inkontinenzprodukte etwa, Kukident Haftcreme und Baldriparan für die Nacht. Zuschauer also, denen die neue Unübersichtlichkeit einer beschleunigten Welt ebenso abschreckend und real vor Augen steht wie die eigenen, sehr realen Zipperlein und Gebrechen.

In den vergangenen 13 Jahren hat der Schauspieler Christian Wolff der Figur des Oberförsters Martin Rombach zu einer beeindruckend konsequenten Rollenidentität verholfen. Egal ob als Ehrengast eines oberfränkischen Waldbauernverbandes oder als Werbeträger für lactosefreie Milchprodukte, Wolff ist nur mehr in Kniebundhose, Strickstutzen und Wanderstiefeln denkbar. Mit seinem Körperentwurf irgendwo zwischen Luis Trenker, Jörg Haider und Rudolf Prack erscheint unser Oberförster auch als aktives und manifestes Gegenmodell der Generation fit for fun unserer Tage.

Martin Rombach stählt sich nicht im Fitness-Center für den performativen Arbeitsalltag in einem der vielen Großraumbüros unserer Republik. Ganz im Sinne tradierter Agrarmythen ist es der Alltag selbst, der den Oberförster stählt. Folge für Folge streift er samt Hund und Flinte durch sein Revier. Martin Rombach sagt dann Sachen wie: „Lieber acht Stunden im Wald als eine halbe Stunde im Supermarkt.“

Wohl aus ähnlichen Beweggründen fahren die meisten Protagonisten und Protagonistinnen der Familienserie ein Cabriolet. Nicht die neuesten silber-transzendenten Modelle aus der neuen Mitte zwar. Aber immerhin offene Golfs, Käfer und einen älteren 3er-BMW. Der Förster selbst rollt in einem sandfarbenen Mercedes-Geländewagen über schwingenden Landstraßen und staubige Waldwege. Auch ein Modell mit abnehmbarem Dach selbstverständlich. Man will halt die Distanz zwischen Mensch und Natur so gering wie möglich halten.