„Äußerste Bedenken“

Kritik von Ausländerbeauftragter, Fachleuten und Kirche an Konzept der Sozialbehörde für den Integrationsbeirat. Vereine bieten Gegenkonzept an

Die Ausländerbeauftragte Ursula Neumann bemüht sich stets um eine gemäßigte Sprache. Aber „das ist eine Unverschämtheit“, sagte sie gestern, „die jahrelange Arbeit meines Arbeitsstabes wird diskreditiert“. Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) hatte ihr in der Senatsdrucksache zum Integrationsbeirat vorgeworfen, nur „Anwältin“ zu sein (taz berichtete gestern).

Neumann warnt davor, dass der Beirat, der spätestens kommende Woche eingesetzt werden soll, „dreifach von der Behörde kontrolliert wird“: Durch den Vorsitz von Schnieber-Jastram, die Ansiedelung des Arbeitsstabes in der Behörde und die Beschränkung auf das Tätigkeitsfeld Soziales. Auch seien Interessenkonflikte der MigrantInnenvertreterInnen vorprogrammiert: „Sie müssen dort ja ihren eigenen Geldgeber kritisieren.“

Auch die in der Integrationsarbeit tätigen Vereine befürchten, dass der Beirat nur ein Abnickorgan wird: „Eine Unabhängigkeit wird schon dadurch verhindert, dass die Senatorin selbst die Mitglieder auswählt“, sagt Christiane Tursi vom Verband Internationaler Begegnungsstätten. Auch für Claudia Leitsch von der Gemeinwesenarbeit St. Pauli ist mit dem Konzept klar: „Der Integrationsbeirat dient nur als Alibi für die Abschaffung der Ausländerbeauftragten.“

Die rund 40 Vereine haben auf einer Fachtagung am Donnerstag spontan ein Gegenkonzept für den Beirat erarbeitet. Darin fordern sie einen definierten Integrationsbegriff (siehe Kasten), ein transparentes Besetzungsverfahren, einen unabhängigen Vorsitz und ein Informationsrecht für Behördenpläne – „und selbst dann wäre der Beirat nur ein Kompromiss“, sagt Tursi, „notwendig wäre der Ausbau des Amtes der Ausländerbeauftragten“. Die Vereine wollen der Behörde am kommenden Donnerstag das Konzept überbringen – die Einladung zur Tagung hatte diese abgelehnt.

Die MigrantInnenvereine knüpfen eine Mitwirkung am Beirat nach wie vor an Bedingungen. Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGB) fordert beispielsweise eine MigrantInnenquote von mindestens 50 Prozent. „Man hat uns gesagt, die Senatorin denke auch in die Richtung“, sagt Vorsitzender Hakki Keskin. In der Drucksache steht allerdings nichts von einer Quote. Auch der Verein „Unternehmer ohne Grenzen“ will erstmal prüfen, „ob der Integrationsbeirat seinen Namen verdient“.

„Äußerste Bedenken“ aufgrund des Konzeptes hat die Leiterin des Diakonischen Werkes und Landespastorin Annegrethe Stoltenberg. Sie kritisiert auch das Procedere der Behörde: „Konzepte erst zu präsentieren, wenn sie bereits feststehen, ist wenig demokratisch.“

Nebulös bleibt unterdessen die Auswahl der Beiratsmitglieder: Während vom TGB drei Personen gefragt wurden, ist der Rat der islamischen Gemeinschaften (Schura) außen vor. Und obwohl Schnieber-Jastram die Gewerkschaften explizit dabei haben will, ist bislang weder an ver.di noch an den DGB eine Einladung ergangen. Heike Dierbach