Bedürfnis nach Sicherheit

betr.: „Trotz Appell: ein weiterer Anschlag auf Jerusalem“, „Israel rückt erneut auf palästinensisches Gebiet vor“ (Brennpunktthemen), taz vom 20. 6. 02

Die Vorstellung, dass die Abriegelung der palästinensischen Gebiete dauerhaft die Gewalt beenden würde, ist doch nun durch die letzten Anschläge und die Invasion im März/April widerlegt worden. Trotzdem möchte Israel nun wieder in die palästinensischen Gebiete, um die Gewalt bzw. die Bereitschaft zur Selbsttötung in Form eines Attentats auszurotten.

Selbstmordanschläge sind, wie so vieles in einem Krieg, nicht zu rechtfertigen. Doch bin ich der festen Überzeugung, dass die Bereitschaft sich selbst in die Luft zu sprengen durch Elend, Angst, Armut und den daraus resultierenden Hass auf die israelischen Besatzer entsteht.

Tatsächlich wirbt Israel nicht gerade um Verständnis für die eigene Sache, wenn es sich der palästinensischen Städte bemächtigt, dort Ausgangssperren verhängt, die dann die Menschen tagelang von Lebensmitteln, Wasser, Strom und ärztlicher Versorgung trennt. Solche Bedingungen bringen viel eher ganze Armeen von neuen SelbstmordattentäterInnen hervor. Diese werden meines Erachtens auch nicht von Arafat persönlich dirigiert, sondern mit offenen Armen und lauter Propaganda von den diversen radikalen Gruppierungen wie Hamas, Dschihad oder Hisbullah … aufgenommen.

Einige dieser Gruppierungen haben ganz klar gesagt, dass sie nicht an einem Frieden interessiert sind und ihre Übergriffe weiterführen werden. Ist ja aus ihrer Sicht auch logisch, was will ein Volk mit einem eigenen Staat und einer friedlichen Beziehung zu ihren Nachbarn Israel auch mit radikalen Kriegstreibern wie dem Führer der Hamas? Hamas & Co. würden sich selbst ins Abseits stellen, wenn sie sich an friedlichen Friedensdemonstrationen beteiligen würden. Aber Israel sieht nicht hier den Gegner, sondern beißt sich an Arafat fest und will jetzt einige seiner – von ihm jüngst bestätigten – Minister ausweisen.

Ich verstehe das Bedürfnis der Israelis nach Sicherheit, war ich doch im März/April selbst dort und habe hinter jedem Schatten einen Selbstmordattentäter gesehen. Und so verstehe ich auch ihren Hass auf die Palästinenser, die durch ihre Anschläge jeden Tag aufs Neue das Überleben von Ehemann, Ehefrau, Kind und Freunden in Frage stellen. Aber mit jedem Tag der Invasion bekommen die radikalen Gruppen neue Anhänger, die für Freiheit und Vaterland bereit sind zu sterben, und auch die Motive für diesen Hass sind nachvollziehbar.

Ein möglicher Weg aus der Gewalt? Neben der theoretischen Möglichkeit, eine der Konfliktparteien auszurotten, ein Vorschlag, den ein israelischer Taxifahrer im März dieses Jahres in Jerusalem gemacht hat, halte ich einen eigenen Staat für den einzigen Weg zum Frieden. Dieser kann, genauso wie Friedensverhandlungen, nicht an Waffenruhe, also Frieden geknüpft sein, sondern muss jetzt unter der Beobachtung und Anleitung von außen gegründet werden.

Nur dann haben die Palästinenser keinen Grund mehr ihren Krieg gegen die Israelis weiterzuführen, sondern eine große Aufgabe vor sich, zu der sie all ihre Kräfte brauchen werden. Nur dann haben die Israelis keinen Grund mehr ihren Krieg gegen die Palästinenser zu führen, sondern müssen sich mit ihren innenpolitischen Sorgen auseinander setzen.

MAREN HERBOLD, Hildesheim