Arafat akzeptiert Clinton-Plan

Neues Attentat fordert fünf Opfer in jüdischer Siedlung. Israel weitet Militäroffensive „Entschlossener Weg“ aus. In Dschenin und Gaza sterben zehn Palästinenser. Arafat hält einen Frieden mit Scharon für möglich. Siedler üben Selbstjustiz

von ANNE PONGER

In Reaktion auf den Terrorüberfall in der jüdischen Siedlung Itamar, bei dem in der Nacht zum Freitag fünf Israelis getötet worden waren, weitete die israelische Armee ihre Militäroperation „Entschlossener Weg“ auf die Stadt Nablus aus. Der erneute militärische Vormarsch betrifft unterdessen die meisten Städte im Westjordanland. Aufgebrachte Siedler aus Itamar töteten in einem Dorf bei Nablus einen Palästinenser, als sie auf dem Rückweg von der Beerdigung der Opfer vom Vortag wahllos um sich schossen. In der seit Dienstag besetzten Stadt Dschenin schossen israelische Soldaten mit Panzergranaten in eine Menschenmenge auf dem Marktplatz und töteten drei Kinder und einen Mann, die irrtümlich davon ausgegangen waren, dass die Ausgangssperre aufgehoben sei. Von Seiten des Militärs wurde der Vorfall als „Fehler“ bezeichnet. Ein 14-jähriger Junge starb unter den Trümmern eines Hauses, das einstürzte, als die Armee ein Nachbarhaus in die Luft sprengte. Auch am Kontrollpunkt Eres zum Gaza-Streifen kam es zu Gefechten, bei denen drei Palästinenser erschossen wurden. Ein achtjähriger Junge erlitt zudem einen tödlichen Kopfschuss, nachdem, israelischen Berichten zufolge, Palästinenser eine Panzerabwehrrakete auf einen Armeeposten abgefeuert hatten.

In einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der israelischen Tageszeitung Ha’aretz hat Palästinenserführer Jassir Arafat den im Sommer 2000 von dem damaligen US-Präsidenten Bill Clinton vorgelegten Plan öffentlich akzeptiert. Das Scheitern der Verhandlungen von Camp David war Hauptgrund für die knapp drei Monate später beginnende Al-Aksa-Intifada. Der Plan lässt die Frage des Rückkehrrechts der 3,8 Millionen palästinensischen Flüchtlingen nach Israel unerwähnt, was damals mit den Ausschlag für Arafats Ablehnung gab.

Der Palästinenserführer sei sowohl mit Grenzkorrekturen und Gebietsaustausch einverstanden als auch mit israelischer Souveränität über die Jerusalemer Klagemauer und das jüdische Altstadtviertel, zitiert der diplomatische Korrespondent von Ha’aretz, Akiva Eldar. Arafat halte außerdem ein Friedensabkommen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon für möglich. Letztendlich sei Scharon nach dem Friedensvertrag mit Ägypten Willens gewesen, jüdische Siedlungen auf der damals besetzten Sinai-Halbinsel zu räumen. Und er habe als Außenminister die israelisch-palästinensischen Verträge von Wye mitgetragen. Den von der US-Regierung ins Gespräch gebrachten Übergangsstaat wollte Arafat nicht ausschließen.

Für die jüngste Welle der Selbstmordattentate machte der Palästinenserführer nicht näher bezeichnete „ausländische Kräfte“ verantwortlich, die „hoffnungslose“ Palästinenser mit bis zu 30.000 Dollar für Attentate bezahlten. Er gab zudem seiner Verwunderung darüber Ausdruck, dass Israel bisher nicht gegen die islamischen Organisationen Hamas und Dschihad vorgegangen sei, sondern die Angriffe nur auf die Autonomiebehörde und die Fatah-Bewegung konzentriert habe. Aus einer am Freitag vom Außenministerium in Jerusalem veröffentlichten Liste der Anschläge und ihrer Hintermänner geht hervor, dass von den letzten 65 Anschlägen 15 auf das Konto der Hamas und 11 auf das Konto der Fatah gehen. Bei 30 sei die Verantwortung ungeklärt.

Der Palästinenserführer rief zu einem Ende des Konflikts auf und äußerte ferner seinen Wunsch, es dem verstorbenen jordanischen König Hussein gleichzutun, der einst den Familien der Opfer eines jordanischen Schützen persönlich sein Beileid aussprach. Israels Minister für öffentliche Sicherheit, Usi Landau (Likud), wies Arafats Worte umgehend als „Lügen eines eingefleischten Mörders“ zurück.

Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser zeigte sich am Freitag von seiner menschlichen Seite, als er in einem Interview mit Ha’aretz zu bedenken gab, dass die Militäroperationen neue Selbstmordattentate provozierten. „Diese Operationen selbst erzeugen Frustration, Hass und Verzweiflung und werden zum Treibhaus für zukünftigen Terror“, sagte Ben-Elieser. Zuvor hatte der Verteidigungsminister zwei verhinderte Selbstmordattentäter im Gefängnis besucht und lange Gespräche mit ihnen geführt.