Europa droht ohne Sanktionen

Im Kampf gegen illegale Einwanderung will die Europäische Union auf konkrete Bestrafungen von Flüchtlingsstaaten verzichten, droht aber eine Verschlechterung der Beziehungen an. Asyl- und Einwanderungspolitik soll harmonisiert werden

SEVILLA taz ■ In der Europäischen Union haben sich die Befürworter einer Flüchtlingspolitik durchgesetzt, die mehr auf Hilfe und weniger auf Strafen setzt. Dies machte der spanische Außenminister Josep Pique bei seiner ersten Pressekonferenz zum EU-Gipfel von Sevilla deutlich. Laut Pique strebt die EU eine kohärente Außenpolitik an. Es sei daher nicht möglich, einerseits Armut bekämpfen zu wollen und andererseits armen Staaten, aus denen besonders viele Flüchtlinge nach Europa kommen, die Entwicklungshilfe zu entziehen. Auch im Entwurf der Abschlusserklärung des Gipfels, die heute verabschiedet werden soll, ist nicht mehr von Sanktionen gegen Flüchtlingsstaaten die Rede. In dem Papier heißt es lediglich: „Eine ungenügende Kooperation könnte die Vertiefung der Beziehungen des betroffenen Landes mit der Union schwieriger gestalten.“

Beschleunigt werden soll nun die Harmonisierung der Asyl- und Einwanderungspolitik der EU. Zwar habe man diese, so Pique, schon beim EU-Gipfel im finnischen Tampere 1999 beschlossen, doch der Prozess müsse intensiviert werden: „Wir sind uns einig, dass Europa Einwanderung braucht.“ Die illegale Einwanderung ist eines der Hauptthemen beim EU-Gipfel in Sevilla. Die Zahl der illegal in die Union Eingewanderten wird auf jährlich etwa 500.000 geschätzt.

Am Rande des Gipfels wurde zudem deutlich, dass der bisher für Oktober geplante Europäische Rat zur Erweiterung aus Rücksicht auf die Parlamentswahlen in Deutschland voraussichtlich auf den 10. November vertagt wird. Nach Ansicht des künftigen Ratsvorsitzenden, des dänischen Premierministers Anders Fogh-Rasmussen, bleibt damit jedoch immer noch Zeit, um zu einer Einigung über die umstrittenen Direktbeihilfen für die Beitrittskandidaten zu kommen und die Erweiterungsverhandlungen planmäßig Ende 2004 abzuschließen. Rasmussen machte aber auch deutlich, dass er die Verhandlungen über die Erweiterung und die Reform der EU-Landwirtschaftspolitik strikt voneinander trennen will: „Es dürfen keine neuen Hindernisse aufgebaut werden.“

Erst am vergangenen Wochenende hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder deutlich gemacht, dass Deutschland nicht bereit ist, mit höheren Nettozahlungen Direktbeihilfen für die Neumitglieder zu finanzieren.

Am ersten Tag des EU-Gipfels explodierten in zwei Badeorten an der Costa del Sol zwei Autobomben. SABINE HERRE

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