Häppchenweise

Ein Einblick: William Forsythe und das Ballett Frankfurt waren mit kürzeren Stücken auf Kampnagel zu Gast

Wie lange ist es her, dass die Halle 6 auf Kampnagel so viele Zuschauer gesehen hat? William Forsythe und sein Ballett Frankfurt, auf Einladung des Deutschen Schauspielhauses zu Gast in der Kulturfabrik, füllten die Ränge bis auf die Seitentribünen. Und trotz der Häppchenkost, die das für Hamburg zusammengestellte Programm bot, bekam man, nicht zuletzt dank der phänomenalen Tänzer, einen Einblick in das Universum Forsythes, das vor Bewegungsphantasie schier zu explodieren schien.

Dabei geht es nicht um bloße Bewegungen. Es ist die enorme Sensibilität und Aufmerksamkeit – für sich selbst, den anderen, den Raum, den Moment – die hier die Tänzer antreiben und ebenso im Stillstand wirken. Der Glaube an die grenzenlose Kraft des Bemühens, den eine Stimme in dem Stück „7 to 10 Passages“ artikuliert, kennzeichnet das Spektrum von Möglichkeiten – ohne Perfektion als Ziel zu kennen. Die Choreographie von 2000 ist ein Spiel mit der Macht, ein Kampf gegen den inneren Antreiber womöglich.

Eine Reihe von fünf Tänzern tastet sich unendlich langsam von der Rückwand des schwarz ausgeschlagenen Bühnenraums auf die Zuschauer zu. Ihre Körper verdrehen sich, verkrampfen. Bilder scheinen auf, die Bewegung selbst nimmt man nicht wahr. Drei Personen haben an den Seiten Platz genommen, schicken ihre Botschaften quer über die Bühne. Vom Tun spricht der eine, presst gequält die Worte hervor. Hintersinnig ist da die Rede vom Verlust von Gehorsam und von Distanz, während die enervierenden Klanggebilde von Forsythes Hauskomponist Thom Willems von neuem zu hören und die Tänzerreihe bereits auseinandergefallen ist.

Die Kunst William Forsythes öffnet Gedankenräume. Dabei gehört die Ballettklassik durchaus zum Grundmuster der Architektur seines Tanzes. In „The Room As It Was“ stellt er die Frauen auf Spitzenschuhe. Duette und Trios verleiten da zur rasanten, erotisch knisternden Erkundungstour von Körperumgebungen. Mit direktem Körperkontakt gehen die Dreier- und Paarkonstellationen dann über zum weniger aufregenden Matratzentanz „Double/Single“, um im Finale „One Flat Thing, Reproduced“ in einem irrwitzigen Table Dance noch einmal richtig aufzudrehen. Doch gerne würde man das Ballett Frankfurt ein weiteres Mal sehen – mit einem Abendfüller. Marga Wolff