Neues Tonband von al-Qaida

Die Organisation von Ussama Bin Laden bekennt sich zu dem Anschlag auf der tunesischen Ferieninsel Dscherba im April und droht mit weiteren Attentaten in den USA. Ihre Führer und der Talibanchef Mullah Omar sollen noch am Leben sein

aus Kairo KARIM EL-GAWHARY

Über zwei Monate hat es gedauert, bis sich die Attentäter von Dscherba offiziell zu ihrem Anschlag bekannt haben. Gestern erklärte der Al-Qaida Sprecher Suliman Abu Gheith in einer von dem arabischen Fernsehsender al-Dschasira ausgestrahlten Tonbandaufzeichnung, dass ein junges Al-Qaida-Mitglied im April den Gaslastwagen auf die Synagoge auf der tunesischen Ferieninsel Dscherba zur Explosion gebracht habe. Bei dem Anschlag waren 19 Menschen, darunter 14 deutsche Touristen, ums Leben gekommen. Das Al-Qaida-Mitglied habe seinen Dschihad-Geist durch den israelisch-palästinensischen Konflikt provoziert gesehen und in Folge diese „Qualitätsoperation“ durchgeführt, heißt es in der Aufzeichnung.

Außerdem erklärte der ehemalige kuwaitische Lehrer Abu Gheith von seinem unbekannten Aufenthaltsort aus, dass sich der Chef des Al-Qaida-Netzwerkes, Ussama Bin Laden, bester Gesundheit erfreue. Berichte, nach denen Bin Laden bei den Kämpfen um den afghanischen Höhlenkomplex Tora Bora verletzt oder getötet worden sei, bezeichnete Abu Gheith als unwahre Gerüchte und kündigte in Bälde eine Videoaufzeichnung an, in der sich Bin Laden persönlich an die Weltöffentlichkeit wenden werde.

Ebenfalls am Leben sein soll der oft totgesagte Adjutant Bin Ladens, der Ägypter Aiman Al-Zawahiri, der als die Nummer zwei der Organisation gilt, sowie der afghanische Talibanführer Mullah Omar. In der Aufzeichnung gibt sich der Sprecher selbstbewusst und widerspricht Berichten, nach denen seine Organisation durch die US-amerikanische Militäroperation in Afghanistan stark angeschlagen sein soll. Mehr als 98 Prozent der Al-Qaida-Führung sei unverletzt von dort entkommen und arbeite nun mit all ihren Möglichkeiten weiter, sagte Abu Gneith.

Anders als frühere Video- und Tonaufzeichnungen von al-Qaida, die über arabische Fernsehstationen ausgestrahlt wurden, machte die Nachricht von dieser letzten Erklärung in der arabischen Welt nur langsam die Runde. In den meisten arabischen Medien wurde die Existenz des Tonbands und dessen Inhalt nur kurz und unkommentiert im hintere Bereich der Nachrichten vermeldet, nach dem israelisch-palästinensischen Konflikt und dem Erdbeben im Iran.

Der arabische Fernsehsender al-Dschasira macht unterdessen keine Angaben, auf welchem Weg ihm die Tonbandaufzeichnung zugespielt worden und ob das Ganze authentisch ist. Einige ähnliche Aussagen, die Abu Gheith zugeschrieben werden, sind bereits vor ein paar Tagen, auf einer arabischsprachigen Website zum Afghanistankrieg im Internet veröffentlicht worden.

Handelt es sich tatsächlich um eine authentische Aufzeichnung, muss sie relativ neu sein. Abu Gheith bezieht sich darin auf eine Kontroverse, die erst in den letzten Wochen in den USA ausgebrochen war. Dabei geht es um die Frage, ob US-Präsident Bush bereits vor dem 11. September vor Anschlägen gewarnt worden sei. Außerdem verweist er auf neuere US-Warnungen vor bevorstehenden Al-Qaida-Anschlägen: „Es stimmt, was die US-Regierung sagt – wir werden demnächst in Amerika zuschlagen.“ Derzeit beobachte und studiere seine Organisation allerlei neue amerikanische Ziele. „Die kommenden Tage und Monate“, so der Sprecher, „werden, so Gott will, beweisen, dass wir die Wahrheit sprechen.“