Folgen des Sparens

Kein Rudern mehr und Chemieunterricht ohne Versuche: Hamburger Schulleiter, Eltern, Schüler und Lehrer protestieren weiter gegen sparsame Bildungspolitik

Der Protest gegen die sparsame Bildungspolitik von Senator Rudolf Lange (FDP) wird immer größer: Nachdem in der vergangenen Woche Hamburgs Gesamtschulleiter „remonstrierten“, schicken nun Schulleiter aller Schulformen ein Manifest an die Bürgerschaftsabgeordneten, in dem sie ihrer „großen Sorge um das Hamburger Schulwesen“ Ausdruck verleihen.

Die Schulleiter verschlössen sich nicht den notwendigen Debatten – „wenn wir denn nach unserer Meinung gefragt werden!“ – wünschen sich für die Schulen aber nicht weniger, sondern mehr Ressourcen und langfristige verlässliche Vorgaben. Weil es an denen momentan fehlt, stricken Hamburgs Schulleiter hektisch an der Umsetzung von Langes Sparvorgaben.

Die bevorstehenden Umsetzungen von etwa 150 Lehrern macht die Planungen besonders schwierig. Wenn sich bis zu den Ferien nicht genügend Freiwillige melden, wird es im laufenden Schuljahr Zwangsumsetzungen geben.

Doch einiges ist schon jetzt klar: „Wir machen keinen Schwimm- und keinen Ruderunterricht mehr. Denn dazu sind zwei Lehrkräfte erforderlich“, erklärt Edgar Mebus, Schulleiter vom Eimsbüttler Gymnasium Kaiser-Friedrich-Ufer die Sparfolgen. Und auch die musikalischen Aktivitäten würden eingeschränkt. Trotzdem soll er weitere 16 Stunden abgeben: „Ich weiß nicht, wie.“

Frieder Bachteler, Schulleiter der Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Lurup, steht vor der absurden Situation, mit weniger Lehrern als jetzt eine Halbtagsschule nach den Ferien zur Ganztagsschule machen zu müssen. An der Gesamtschule Winterhude, wo GEW-Pressesprecherin Ilona Wilhelm unterrichtet, ist klar: „Wir machen in Chemie keine Versuche mehr.“ Denn statt der erlaubten 20 kämen bald 25 Schüler in die Fachräume.

Angelika Fiedler, Leiterin der Clara-Grunwald-Schule in Neu-Allermöhe, hat den Bescheid bekommen, dass es jährlich pro Kind statt 80 nur noch 70 Mark für Lernmittel gebe – rückwirkend ab dem 1. Januar. Sie weiß nicht, wo sie das Geld herholen soll, „von den Eltern sicher nicht“.

Auch in den kommenden Tagen wird es gegen die Bildungspolitik des Senats Proteste geben: Heute unternimmt die Gesamtschule Steilshoop einen Wandertag zur Schulbehörde. Morgen bringen Schüler und Eltern der Ida-Ehre-Gesamtschule dem Senator den längsten Blauen Brief der Welt ins Rathaus.

Und am Donnerstag demonstrieren Schüler, Eltern und Lehrer der Max-Brauer-Gesamtschule: Start ist um 11.30 Uhr in der Daimlerstraße in Altona. Um 12 Uhr beginnen Kundgebung und Luftballon-Aktion auf dem Spritzenplatz. Außerdem sammeln die Eltern Unterschriften für eine Rücknahme der Sparbeschlüsse im Bildungsbereich und haben einen Brief an Lange geschrieben.

Darin plädieren sie dafür, trotz angespannter Haushaltslage, nicht ausgerechnet an der Bildung zu sparen.

Viele Eltern hätten sich bewusst für die Gesamtschule entschieden, weil sie aufgrund ihrer besonderen Aufgabenstellung personell und finanziell besser ausgestattet werden. Die Sparbeschlüsse seien Betrug an Kindern und Eltern und „ein Rechtsbruch, den wir nicht hinnehmen wollen“. SANDRA WILSDORF