berliner szenen Flüssiger WM-Beton

Schluss gleich Pause

Die Fußballweltmeisterschaft, ach ja, die Fußballweltmeisterschaft. Man versucht das Geschehene, das an den Schirmen Miterlebte, Miterlittene zu rekapitulieren, zu verstehen, wie es kommen konnte, dass dies geschah und nicht jenes; alles ist doch recht seltsam, und später werden wir es unseren Enkeln erzählen, die es nicht glauben werden, und zwischendurch fahren immer noch die hupenden Autos der Türken durch die geöffneten Fenster, ins Zimmer, durchs eine Ohr hinein, durch das andere wieder raus, und schwenken mit ihren Fahnen.

Die Türken sind der Weltmeister der Hupen, und draußen auf der Straße beglückwünschen wir den türkischen Gemüsehändler zum überzeugenden Sieg. „Schöner Fußfeger. Das gibt im Fußball immer Freistoß“, hatte ein Reporter gesagt und ein anderer: „Der haushohe Favorit muss vor seinem Erfolg noch einen äußerst unliebsamen Untermieter herausklagen.“

Oft war es wieder sehr schön, die Sprache der Kommentatoren zu lauschen und wie sie sich entwickelt in spannenden Spielen, wie sie den Sprechern entgleitet und allerlei Unsinn anstellt, von „Der Beton der Paraguayer ist noch nicht ganz trocken“ bis „In Leverkusen würde er jetzt die Scheibenwischer anmachen“. Wie die Sprache mit sich selbst spielt, die Ebenen wechselt, ohne dass es der Sprecher zu bemerken scheint: „Brasilien unter Druck. In Worten: Brasilien unter Druck.“ Oder wie der Sprecher an sich zeitweise verzweifelt: „Wieso seh ich das, und wieso sieht das nicht der Schiedsrichter?“, um endlich doch wieder ganz bei sich selbst anzukommen. Schön wie eine batteriebetriebene Tomate am Abend ist diese Fußballweltmeisterschaft! „Und nun ist Schluss, das heißt Pause.“

DETLEF KUHLBRODT