Fallen im August

Die dunkelste Stimme des britischen Blues: Sarah-Jane Morris gibt in Berlin ihr einziges Deutschlandkonzert

Ein gefallener Engel und seine dunkle, kehlige Stimme. „Don’t leave me this way“. Die Rücklauftaste, einmal und noch einmal und immer wieder. Es war ihr großer Hit mit Jimmy Sommerville. Wenn Engel fallen, ist die Seele verletzt. Die Zeit mit den Communards schmerzt immer noch. Die Anfeindungen in der Presse, dass diese tiefe Stimme sicher von einem Transvestiten stamme. Der Ruhm ist nur kurz, Geld verdienen andere mit dieser Stimme.

„Don’t leave me this way“. Der Song durchzieht ihr Leben. Auf ihrem Album „August“ singt sie ihn noch mal. „To lay ghosts to bed“, sagt sie. Jetzt kann etwas Neues beginnen. Die Gründung ihres Labels „Fallen Angel“ zum Beispiel. Sie kam durch einen Anruf des Gitarristen Marc Ribot, den Morris von Tom-Waits-Platten her kannte. Über ihren Mann David Coulter, ehemals Pogues-Bassist, wird der erste Kontakt hergestellt. Seitdem hatten sie und Ribot geplant, irgendwann ihre Lieblingssongs zu covern.

Jetzt hatte Ribot drei Tage Zeit. Im August. Ein kleines Aufnahmestudio in der Portobello Road, eine Tasche voller CDs, eine Gitarre, ein Verstärker, ein Mikrofon. Die anderen Instrumente kommen erst später als Overdubs dazu. CDs von Nick Cave sind darunter, von Leonard Cohen, Curtis Mayfield, Billie Holiday. Gemeinsam wählen sie die anderen elf Songs aus. Sie schreibt die Texte heraus, er die Akkorde.

Die Aufnahmen werden alle als first takes genommen. Bei Billie Holiday’s „Don’t explain“ möchte Ribot sie zu einer A-capella-Version überreden. Unbegleitet. Sie tauschen die Räume im Studio, er stellt sich neben den Techniker ans Mischpult. Dann singt sie, probeweise. Sie weiß nicht, dass sie aufgenommen wird. Bei den letzten Worten kommt Ribot leise herein, stöpselt seine Gitarre ein und legt einen Finger auf seine Lippen. Dann spielt er seine Version, während ihr Tränen über das Gesicht laufen. Sie kann nicht mehr aufhören. Einer dieser Momente, in denen sich alles richtig anfühlt. „Piece of my heart“.

Als der Songautor Sarah-Jane im Ronnie Scott’s hört, erzählt er ihr von einem Filmprojekt über Janis Joplin. Sie bewirbt sich und wird für die Rolle ausgewählt. Dann heißt es plötzlich, sie sei zu unbekannt, und die Produzenten wollen stattdessen Britney Spears. Am Ende wurde der Film nicht gemacht. Jetzt ist er wieder im Gespräch, diesmal soll Courtney Love die Janis spielen. Fallen Angel. Zu jedem Song eine Geschichte: „Chelsea Hotel“, Leonards Cohens Liebeserklärung an Janis Joplin. Oder Nick Cave’s „Into my arms“. Sie schickten ihm ihre Version zur Autorisierung, und sein Büro ließ mitteilen: „Es gefällt.“ Zu jedem Song ein Foto: aufgenommen von ihrem Bruder Rod Morris. Das Coverfoto zeigt die Küste von San Francisco an einem Sommerabend im August. Hier fand sie heraus, das Amistad Maupin ihr Cousin ist. Und wieder so ein Moment. Denn er erzählt ihr von seinem Buch: „Tales of the Fallen Angel“. MAXI SICKERT

Heute ab 21 Uhr, Tränenpalast, Reichstagufer 17, Mitte