Der personifizierte Kulturschock

Rolf Eckrodt trifft ab heute als Vorstandschef die strategischen Entscheidungen bei Mitsubishi Motors in Japan

Man stelle sich vor: Ein evangelischer Pastor aus Schwaben übernimmt ein buddhistisches Gotteshaus in Tokio. Der Kulturschock für die japanische Gemeinde könnte wohl kaum größer sein. Ähnlich müssen sich die japanischen Arbeiter des Autokonzerns Mitsubishi gefühlt haben, als der deutsche DaimlerChrysler-Manager Rolf Eckrodt Ende März dieses Jahres als der zukünftige Präsident des Traditionsunternehmens angekündigt wurde. Heute tritt Eckrodt seinen neuen Job an, in dem er für die strategischen Entscheidungen im Konzern verantwortlich ist.

Der 59-Jährige ist der erste Deutsche an der Spitze des japanischen Autoherstellers, an dem DaimlerChrysler 37 Prozent hält. Jedoch spielt es für Eckrodt „keine Rolle, ob der Vorstandschef ein Japaner ist oder nicht“, wenn das Ziel der gemeinsame Erfolg sei. Das sehen viele traditionsbewusste Mitsubishi-Arbeiter noch anders. Nicht selten werden die deutschen Manager im 85-jährigen Konzern Mitsubishi Motors als „fremde Krieger“ (Wirtschaftswoche) wahrgenommen. Mit dieser Voreingenommenheit wurde Eckrodt schon bei seiner bisherigen Aufgabe konfrontiert, als er als Chief Operating Officer bei Mitsubishi für das Tagesgeschäft zuständig war.

Dabei hat sich der ehemalige Chef der DaimlerChrysler-Tochter Adtranz nicht immer an den Rat seines Kommunikationsberaters gehalten. Anstatt im Gespräch mit Japanern auf Distanz zu gehen, sich auf Verbeugungen zu beschränken und sie so wenig wie möglich zu berühren, versuchte er es mit Herzlichkeit: Er schlug Leuten aufmunternd auf die Schulter und nahm sie in den Arm – mit überraschendem Erfolg. Entgegen allen Befürchtungen kam er bei den Japanern damit „extrem gut an, weil es bei ihm sehr offen und ehrlich gemeint ist und es glaubhaft ist“, weiß Jochen Legewie, deutscher Japanexperte bei Mitsubishi. Das klappe auch deswegen, weil Eckrodt immer „verdammt gut vorbereitet“ sei und „ein sehr gutes Gespür für Menschen“ habe.

Auch bei konkreten Firmenentscheidungen verlangt Eckrodt von den Japanern, seinen neuen Stil zu akzeptieren: In einer seiner ersten Amtshandlungen als Chef fürs Tagesgeschäft verkündete er die Schließung des Mitsubishi-Werkes in Nagoya. 9.500 Arbeiter, etwa 14 Prozent der Gesamtbelegschaft, mussten gehen. Ein Schlag ins Gesicht der alten japanischen Beraterkader im Konzern, die noch kurz vorher verlauten ließen: „Entlassungen wird es bei uns nicht geben. Sie lassen sich in der kulturellen Welt Japans nicht durchsetzen.“ Der Rauswurf von 60 japanischen Beratern des Konzerns durch Eckrodt machte den Methodenwechsel des zupackenden Deutschen überdeutlich.

Zwar hat Eckrodt einen völlig anderen Stil und andere Methoden als die Japaner, seine Entscheidungen trifft er allerdings im Team. So traf sich Eckrodt jeden Morgen um acht mit seinem bisherigen japanischen Chef Takashi Sonobe für mindestens eine Stunde. Beim hierarchisch durchstrukturierten Daimler in Deutschland gibt es selten so viel Zeit zum Reden. Wie viel Eckrodt den pragmatischen Japanern auch zumutet: Letztendlich wird nur zählen, ob der Deutsche dem Unternehmen Erfolg bringt. Vielleicht wird in einigen Monaten das Abbild Eckrodts auch auf Papierdrachen über den Betriebsanlagen flattern – so wie das Konterfei des französischen Chefs bei Nissan. MWü