Henkel ohne Topf

Das Musical-Imperium Stella hat Insolvenz angemeldet. Damit steht auch die angegliederte Musical-Schule Stella academy vor dem Aus

Wir können die Kinder doch nicht im Regen stehen lassen

von LARISSA RODE

„Fünfhundertfünfundzwanzigtausend Minuten“, singt der Chor, „sag mir, wie misst man ein Jahr?“ Stimmgewaltig und bunt bewegt sich der Zug durch die Innenstadt. Die DemonstrantInnen der Stella academy kommen daher wie ein Karnevalszug, wären da nicht die Transparente. „Wir wollen unseren Abschluss“ steht da und „Selbständigkeit für die Stella academy“.

Trotz rückläufiger Besucherzahlen und der abgesetzten Dauerbrenner „Cats“ und „Phantom der Oper“ expandierte das Stella Management munter weiter. So lange, bis die Stella Entertainment GmbH im April Insolvenz anmelden musste. Die Akademie finanzierte sich zur Hälfte durch den Konzern und zur Hälfte durch Schulgelder. Nun droht auch ihr die Schließung.

Noch aber wirbeln 19 Fußpaare auf dem Boden der Tanzhalle. Der Soundtrack des Filmstreifens „Moulin Rouge“ ertönt. Frankino Squillaci hat die schwierige Aufgabe, die Klasse auf ihre wahrscheinlich letzte Revue vorzubereiten. Kurz vor dem heutigen Auftritt wird sich die Zukunft der Akademie und der knapp 90 SchülerInnen entscheiden. So lange lässt der Dozent weiter Schrittfolgen üben.

Neben dem Tanz werden in der Seilerstraße auch Gesang und Schauspiel unterrichtet. Die zwei weiteren Sparten des Musical-Repertoirs. Das ist nur möglich, weil der Konzern eine halbe Million Euro jährlich beigesteuert hat. Ohne Musical-Imperium im Rücken wird die Schule ihren Standard nicht halten können. „Bei der Versammlung mit dem Insolvenzausschuss Anfang Mai haben einige geheult. Da hieß es,

es ist das Aus“, sagt Schulsprecher Tim Reingruber. Für viele ist die drohende Schließung besonders hart, berichtet er. „Das Schulgeld, das über die Hälfte von uns im Voraus bezahlt hat, ist in den Topf von Stella geflossen. Was heißt Topf? Davon ist nur noch ein Henkel übrig geblieben.“ Die 5000 Euro pro Kopf sind Insolvenzmasse.

Auch die Aktivitäten des schuleigenen Fördervereins, in dessen Beirat Persönlichkeiten wie Monica Bleibtreu oder Roman Polanski sitzen, „sind vorerst auf Eis gelegt“, sagt Geschäftsführer Hans Langen. Prompt gründeten die SchülerInnen ihren eigenen Verein: „Musicalnachwuchs e. V.“, der Geld für die Stipendien sammeln soll. Für acht der knapp 90 SchülerInnen haben Sponsoren die Kosten bereits übernommen. Also sucht die Schule weiter die Öffentlichkeit. Nicht zuletzt für viele DozentInnen, die trotz der Krise seit April ohne Bezahlung unterrichten. „Wir können die Kinder doch nicht im Regen stehen lassen“, sagt Schauspieldozent Helmut Mooshammer und lässt weiter üben.

Schließlich muss für die heutige Gala im Schmidts Tivoli alles sitzen. Ihr Name, „Come what may“, ist ein Songtitel aus der Revue. Ein passender Slogan. Komme, was da wolle, wir halten zusammen. Mit den Eintrittsgeldern sollen die DozentInnen, die sich seit Wochen ehrenamtlich engagieren, wenigstens symbolisch entlohnt werden. Doch es werden andere Maßnahmen nötig sein, damit die Akademie weiter besteht. Viele weitere 525.000 Minuten und Jahre lang.

Tanzgala heute 20 Uhr im Schmidts Tivoli. Eine (Abschieds-)Revue