König wartet vergebens auf Prinzessin

Übrig blieb ein Netzwerk und ein höchst eigenartiger Song: Die am Wochenende zu Ende gegangene Ostseekunst-Biennale artgenda ignorierte konsequent den „white cube“ und setzte publikumswirksam auf performative Aspekte

In einem Seitenkanal der Elbe schwimmt neben einem künstlich aufgeschütteten Strand eine kleine Holzburg mit Türmen, Waffengang und Balkon. In der Burg wartet ein dänischer König darauf, dass der Auserwählten die goldenen Schuhe passen. Doch statt einer Prinzessin wirft sich der Blockbau-Betreiber Bernd Jasper mit einem Messer zwischen den Zähnen in die Elbe. Er entert die Schwimmburg und entmachtet den König. Was wie ein modernes Märchen klingt, war in Wirklichkeit künstlerischer Bestandteil der am Sonntag zu Ende gegangenen, zweieinhalbwöchigen Ostseekunst-Biennale artgenda. Organisatorin Antje Mittelberg, Referentin für Kulturaustausch bei der Kulturbehörde, war angetreten, dem Festival neuen Drive zu geben.

Die bisherigen Biennalen in Kopenhagen, Stockholm und Helsinki waren noch von einer konventionellen Veranstaltungspolitik geprägt. Sie funktionierten nach dem bewährten Prinzip, demzufolge ein einzelner Kurator ein gemeinsames Thema vorschlägt und die Institution den eingeladenen Künstlern einen Raum zur Verfügung stellt.

Diese Praxis hat sich in den letzten Jahren verändert. Viele Kunstproduzenten umgehen inzwischen die Präsentation fertiger Kunstwerke in weiß getünchten Ausstellungsräumen und gehen dazu über, in performativen Aktionen artifizielle Prozesse darzustellen. Die Hamburger Jon Bock und Jonathan Mense etwa sind nicht mit ihrer Kunst berühmt geworden, sondern mit dem Bespielen selbst konstruierter Räume.

Diese Entwicklung in der Kunstszene abzubilden hatte sich die diesjährige artgenda vorgenommen. Den eingeladenen Künstlern wurde ermöglicht, über einen Zeitraum von drei Wochen ihre Projekte aufzubauen und dabei auch in das prozesshafte Tun ihrer Kollegen einzugreifen. Diese Vorgehensweise barg selbstverständlich auch Stolpersteine. Zog eine Gruppe von Galeristen, Käufern und Journalisten aus, um sich eine Vernissage anzuschauen, geschah es häufig, dass der Aufbau noch nicht fertig war oder die Künstler gerade in der Mittagspause weilten.

„Es ist kein Festival zum Berühmtwerden“, erklärt eine schwedische Künstlerin. Doch sie sagt auch, sie habe viel gelernt, „über die soziale Funktion von gemeinsamen Abendessen und spontanen Hotelzimmerfesten“. Eben diese – scheinbar außerkünstlerischen – Momente sind es aber, die zu einem Netzwerk für künftige Kooperationen führen.

Anhand des Projekts „Hungrige Amöbe“ lässt sich der Gesamtcharakter der artgenda recht gut veranschaulichen: Es handelte sich dabei um drei inszenierte Stadtführungen, die jedes Mal mehr „Mitläufer“ anlockten. Am Ende wanderten 300 Menschen durch Planten und Blomen, um sich von russischen Seerosen Gedichte vortragen zu lassen. Am nächsten Tag sangen viele artgenda-Infizierte immer noch die Hymne „Amöbia, you are Bikini to me!“ Die artgenda lebt fort. Übrig geblieben ist keine bleibende Skulptur, kein käufliches Symbol, sondern eine fast seltsame Erinnerung – ein eigenartiger Song. Arsen Dedic