vorlauf kunst Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Hans Haacke fand zwar einiges am Titel zu bemängeln, doch auch er schickte Lettre International seinen Beitrag. Die renommierte Kulturzeitschrift hatte weltweit neunundzwanzig ebenso renommierte Künstler gewonnen, je eine Arbeit zum Thema „Der Schock des 11. September – Das Geheimnis des Anderen“ zu schaffen. Haacke kritisierte zu Recht den Ausdruck vom Anderen und auch ein Geheimnis kannte er nicht. Er stellte eine Schablone her, die die Zwillingstürme des WTC zeigt und die über alle denkbaren öffentlichen Plakate und Aushänge angebracht werden kann. Dieses Bild des WTC überschattet auch alle anderen Arbeiten, auch wenn sie ganz andere Wege gehen, die Tragödie bildnerisch aufzuarbeiten. Denn der Betrachter sieht sie immer vor dem Hintergrund der spektakulären Filmaufnahmen, die in unser aller Gedächtnis gespeichert sind. Dass die Ausstellung im Haus am Lützowplatz, wo jetzt die Arbeiten von Baselitz, Baldessari, Abramovic, Gerz, Rebecca Horn, Immendorff, Pistoletto u. a. zu sehen sind, aus einer Zeitschriftenaktion hervorging, ist in den deutlich grafisch angelegten Arbeiten von moderatem Format freilich unübersehbar.

Die Tragödie in Chile, der Sturz Allendes mit den vielen nachfolgenden Toten, fand auch an einem 11. September statt. Freilich 1973. An sie erinnern Plakate im Treppenaufgang des Hauses am Kleistpark, wo gefragt wird, wie es um die zeitgenössische Kunst in Chile steht. Gut und weiblich, ist die Antwort. Sechs Künstlerinnen zeigen sich in „Correspondencias“ auf der Höhe aktueller Kunstproduktion. Am deutlichsten bei Catalino Donoso, die ihre abgekupferten barocken Ölgemälde wie kostbare Teppiche auf dicke Walzen aufrollte. Die Leinwand wird wieder Material, die Kunst Konsumgut: eine Installation mit Sinn und Sinnlichkeit.

Anregungen: vorlauf@taz.de

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