Die Hütchenspieler von der Radiotelevisione Italiana

Mit einer durchsichtigen Verzögerungstaktik bringen Berlusconis Vertraute an der RAI-Spitze Italiens Öffentlich-Rechtliche auf Regierungskurs

ROM taz ■ Das kennt man von Hütchenspielern: Einer hantiert mit drei Kästchen und lässt das Kügelchen immer mal aufblitzen. Ein paar Kumpane stehen dabei und versichern, dass die Kugel noch da ist – doch am Ende hat sie sich verflüchtigt.

Einer, der den Trick ganz besonders gut beherrscht, ist Agostino Saccà, der seit diesem Frühjahr amtierende Berlusconi-treue („Ich und meine ganze Familie wählen Forza Italia“) Generaldirektor des italienischen Staatsfernsehens RAI. Gleich zwei Kügelchen hatte er im Spiel – die beiden prominenten TV-Moderatoren Enzo Biagi und Michele Santoro. Natürlich denke niemand daran, sie aus der RAI zu werfen, bloß weil sie regierungskritisch seien, versicherte Saccà in den letzten Wochen ein ums andre Mal, und die Kumpane aus dem Berlusconi-Lager nickten alle beifällig.

RAI 1, RAI 2, RAI 3: die Kügelchen rollten fröhlich hin und her durch die zukünftigen Sendeschemata – und hoppla, waren sie plötzlich weg: Als die RAI am Samstag in Cannes ihren Werbekunden die Programmplanung für den Herbst präsentierte, da kam Biagi zwar noch im Trailer als eines der markanten Gesichter des Senders vor. Im Programm aber suchte man ihn wie auch Santoro vergebens. Eigentlich ist das keine Überraschung, denn schon im April hatte Berlusconi auf einer Pressekonferenz in Sofia den Kopf der beiden gefordert. „In krimineller Manier“ nämlich hätten sie das Fernsehen instrumentalisiert und im Wahlkampf 2001 gegen ihn Stimmung gemacht. Santoro hatte es gewagt, in seinem wöchentlichen Politikmagazin die gegen Berlusconis engen Mitarbeiter Marcello Dell’Utri gerichteten Mafia-Verdächte aufzurollen. Und Enzo Biagi – der 81-jährige Starjournalist ist täglich nach den 20-Uhr-Nachrichten mit dem Fünf-Minuten-Kurzprogramm „Il Fatto“ auf Sendung – hatte Roberto Benigni Raum für allerlei lästerliche Bemerkungen über Berlusconi gegeben.

Dessen von Bulgarien aus verfügter Rausschmiss aber war ein allzu klarer Auftrag an die neuen Herren der RAI. Wie dem Meister Folge leisten, ohne als Knecht dazustehen? Saccà und die neuen Chefs von RAI 1 und RAI 2 – der eine ein Exabgeordneter von Forza Italia, der andere ehemaliger Staatssekretär der Lega Nord – fanden eine elegante Lösung: Erst diskutierten sie wochenlang über eine „Reform“ der inkriminierten Sendungen, über einen neuen Sendeplatz für Biagi („um Mitternacht“) oder einen Ko-Moderator für Santoro („mehr Ausgewogenheit“). Zugleich lancierte Saccà den Vorschlag, auf Biagis Sendeplatz den Moderator Fabio Fazio – der klar linke Sympathien hat – einzusetzen, als schönen Beweis, dass auch im rechtsgewirkten Staatssender der Pluralismus überlebt.

Jetzt aber, mit gebührend Abstand zu Berlusconis Zensurforderung, inszenierten die Senderchefs die Präsentation in Cannes als Theatercoup. Die beiden Störenfriede sind raus, und Fazio kommt erst gar nicht rein. „Neue Gesichter“ nämlich sollen her. Zum Beispiel ein Journalist namens Mattia Feltri, der demnächst für endlich „objektive Information“ sorgen könnte. Proben seines Könnens liefert der junge Mann zurzeit noch täglich im Berlusconi-Blatt Il Foglio.

Wie die neue, endlich nicht mehr „kommunistische“ und „einseitige“ Linie aussieht, exerzierte RAI 2 dann gleich am Sonntag vor. Wie jedes Jahr hatte Umberto Bossi von der Lega Nord seine Getreuen zum Partei-Massentreff nach Pontida eingeladen. Abends kam dann ein 15-Minuten-Special auf RAI 2, „angeregt“ von einem Lega-Nord-Abgeordneten, gedreht von einem Lega-Nord-Journalisten. „Ein Beitrag voller Dankbarkeit, Liebe und kämpferischer Passion“, bemerkte der Oppositionsabgeordnete Beppe Giulietti gehässig über derart dreiste Lobhudelei. RAI 2-Chef Antonio Marano ficht das nicht an: Schließlich hat er „eine sympathische und ausgewogene Sendung“ gesehen. MICHAEL BRAUN