Sind die Ausländer schuld?

SchülerInnen des Berliner Gerhart-Hauptmann-Gymnasiums stellten mehr oder weniger einfache Fragen zur Pisa-Studie: Kann man wegen Pisa sitzen bleiben? Werden die Lehrpläne jetzt dünner?

Was wollen die in Pisa eigentlich von uns wissen?

Die OECD, eine Organisation für Wirtschaftsentwicklung, testet mit Pisa euer Leseverständnis. Jede Frage ist ein kleiner Text, den ihr erst mal verstehen müsst, um danach Antworten zu versuchen. Eine Frage bei dem Pisa-Vergleich zwischen den Bundesländern lautete zum Beispiel: Können Pflanzen schwitzen? Es geht also nicht allein ums Lesen, sondern auch um Naturwissenschaften – und ums Rechnen. Es wurden übrigens auch ganz andere Fragen gestellt: Zum Beispiel: Habt ihr Spaß am Lesen? (Siehe „ungern lesen“)

Werden die Fragen jedes Jahr gestellt?

Mancher nervöse Kultusminister will das inzwischen – so erschrocken sind die Politiker über die Ergebnisse. In anderen Ländern ist das übrigens üblich, dass jedes Jahr ein Vergleich aller Schüler gemacht wird – in Schweden zum Beispiel in der fünften und in der achten Klasse. Pisa selbst gibt’s dreimal: Die erste Studie wurde 2000 erhoben, die nächste folgt 2003, dann noch eine 2006.

Kann man wegen Pisa sitzen bleiben?

Nein, das kann man nicht. Die Fragen werden zwar von euch beantwortet – aber sie sind eigentlich dazu da, die Leistungsfähigkeit der Lehrer und der Schulen zu testen. Die Pisa-Forscher wollen herausfinden, ob ein Schulsystem es schafft, den Schülern die Lernziele effizient beizubringen – und so, dass es euch Spaß macht. Viele deutsche Kultusminister haben das nicht verstanden. Sie sehen zentrale Abschlussprüfungen als Vergleichstests an – und verstehen nicht, dass ihr dabei eventuell Nachteile zu erwarten habt: Wer den Test nicht schafft, kriegt kein Zeugnis.

Werden nur Gymnasiasten gefragt?

Nein, alle Schüler wurden bei Pisa interviewt. Nur in Hamburg und Berlin gab’s Probleme. Es waren sowohl an Haupt- als auch an Gesamtschulen zu wenig Schüler bereit, sich an dem Test zu beteiligen. Deswegen findet ihr diese beiden Stadtstaaten auch nicht im Lese-Ranking.

Haben an Pisa verschiedene Klassen teilgenommen?

Das ist eine gute Frage, die etwas über unser Schulsystem aussagt: Gefragt wurden immer 15-Jährige. In manchen Ländern sind die fast alle in der zehnten Klasse – zum Beispiel in Korea, Japan oder Norwegen. Warum das so ist? Weil man da nicht sitzen bleiben kann. In Deutschland sind viele 15-Jährige noch unterhalb der neunten Klasse. 16 Prozent lernen in den Klassen 5, 6, 7 oder 8 – die sind sitzen geblieben oder wurden später eingeschult oder beides. 40 Prozent der deutschen Schüler passiert das.

Gibt es Noten bei Pisa?

Nein, die Schüler werden nach Kompetenzstufen eingeteilt. Es gibt fünf solcher Niveaus und eine Zusatzkategorie: „Kompetenzstufe eins nicht erreicht“. Da findet ihr die so genannten funktionalen Analphabeten. Das sind Schüler, die einen Text lesen können – aber nichts davon verstehen. Die höchste Kompetenzstufe ist die fünfte. Das Besondere am deutschen Pisa-Ergebnis: Die Fünfer sind nicht so gut wie die vieler anderer Länder, und es gibt auch gar nicht so viele davon. (Kasten Leseverständnis)

Wird jetzt der Lehrplan geändert?

Weiß man noch nicht. Darüber streiten sich die Schulminister der Länder untereinander und mit der Bildungsministerin des Bundes. Frau Bulmahn hat gestern wieder vorgeschlagen, einheitliche nationale Bildungsstandards einzuführen. Damit die Berliner Vergleichbares zu dem in Hamburg, Dresden oder München lernen. Das Komische ist: Alle wollen nach Pisa eigentlich Bildungsstandards – aber fast jedes Bundesland will wieder seine eigenen machen. Andere Länder haben es da übrigens einfacher: Da sind die Lehrpläne ganz dünn – in Schweden von der ersten bis zur neunten Klasse rund 30 Seiten –, da kann man sich leicht auf gemeinsame Lernziele einigen.

Wie ist es möglich, dass die mehr wissen, obwohl die Lehrpläne so dünn sind?

Weil die einen ganz anderen Stil haben: Dort sind der Lehrer und die Schule verantwortlich, mit euch zum Beispiel das Bildungsziel „Mittelalter“ zu erarbeiten. Ob ihr euch dann mit den Inkas, mit den Kreuzfahrern oder Christoph Columbus befasst, ist eure Sache. Hierzulande sind die Lehrpläne dick, und die Lehrer haben kaum Freiheiten, wie sie das mit euch durchnehmen.

Sind die Ausländer schuld an dem schlechten deutschen Ergebnis?

Das meint Edmund Stoiber auch. Ist aber Unsinn. Die Studie zeigt zwar, dass unter den schlechten Lesern viele Zuwandererkinder sind. Die Studie zeigt aber auch: Da, wo Bundesländer gute Sprachkurse anbieten und die Zuwanderer gut Deutsch sprechen können, können die Migranten oft mehr als die Deutschstämmigen.

Die Fragen stellten bei einem Besuch in der taz: Wiebke, Julia, Deborah, Christian, Jeannette, Dennis, Cindy, Janne, Anne, Diana, Melanie und Lydia. Antworten: Christian Füller