US-Armee rüstet auf

Amerikas Soldaten sollen bis zum Jahr 2010 mit elektronischen Dolmetschern ausgerüstet werden. Die Einrichtung neuer Sprachschulen ist nicht geplant

KAIRO taz ■ Vorsichtig und mit entsichertem Waffen nähert sich eine Patrouille amerikanischer Soldaten im Zentrum Bagdads einer Gruppe von Arabern. Leutnant Frank Miller aus New Jersey greift in die Tasche seiner schusssicheren Weste nach einem kleinen Apparat, drückt aufs Knöpfchen und spricht in das an seinem Helm montierte Mikrofon. „Hat jemand von euch Saddam gesehen?“ Aus einem kleinen Lautsprecher neben dem Mikro krächzt eine elektronische arabische Stimme: „Ayy minkun jali schaaf Saddam?“

Träumerei oder Wirklichkeit? Geht es nach Lt. Gen. Robert W. Noonan, Jr., gehört ein solcher automatischer Dolmetscher bis zum Ende dieses Jahrzehnts zur Standardausrüstung eines jeden in der weiten Welt eingesetzten GIs. Das zumindest kündigte Noonan in einem vor kurzem von der US-Armee abgehaltenen Symposium zum Thema „asymmetrische Kriegführung“ an.

Der Generalleutnant sollte wissen, wovon er spricht. Noonan führt eine Einheit der US-Armee, die für die Entwicklung der Aufklärungstechnologie zuständig ist. Bisher mag das US-Militär zwar mit dem modernsten Kriegsgerät ausgerüstet sein, um ihrer globalen Aufgabe gewachsen zu sein, mit den Sprachkenntnissen hapert es bisher allerdings noch gewaltig.

Seit dem 11. September suchen nicht nur die US-Geheimdienste, sondern auch die Armee händeringend nach des Arabischen mächtigen Mitarbeitern. Aber auch ein gutes halbes Jahr darauf ist die Lücke nicht gefüllt. Mit über tausend arabischstämmigen Mitmenschen ohne Anklage in US-Gewahrsam wird das Angebot der Spezies Arabica, die mit dem US-Sicherheitsapparat bedenkenlos zusammenarbeiten will, wohl auch nicht größer. „Die USA haben Millionen von Dollars für Linguisten und Dolmetscher ausgegeben, aber operierten immer noch mit großer Knappheit“, heißt es dazu in einem Bericht der US-Armee.

Ganz anderes auf Seiten der Nachfrage: Gerade in den afghanischen Höhlen fand sich massenweise Material der arabischen Mudschaheddin, das jetzt auf die Übersetzung wartet. Wenn, so Noonan nach einer Razzia 85.000 Seiten Material gefunden werden, gibt es nicht genug Leute, „um das schnell durchzuarbeiten“.

Viele der Dokumente sind wahrscheinlich wertlos für die Geheimdienste, aber, so Noonan, „durchgelesen werden muss es am Ende doch, vor allem die privaten Aufzeichnungen“. Und dann ist da noch diese ganze neue Technologie, derer sich auch der Gegner bedient. Immer wieder wurden im Krieg in Afghanistan Laptop-Computer sichergestellt, deren Benutzer dank verbesserter Software nicht mehr gezwungen sind, ausschließlich auf Englisch zu arbeiten. „Wir kennen weder die Sprache, geschweige denn das Passwort. Das ist eine völlig neue Dimension“, gibt der Aufklärungsfachmann freimütig zu.

Die Lösung liegt für die US-Strategen nicht in einem besseren Sprachenangebot an amerikanischen Universitäten und Schulen. Stattdessen soll der anvisierten Übersetzungs-Technologieschub das linguistische US-Manko beseitigen.

Bisher werden die meisten US-Soldaten auf Auslandseinsatz nur mit einem Papier ausgerüstet, auf dem sich ein paar gebräuchliche Redewendungen befinden. Im Bedarfsfall können sie auch mit den in die Landessprache übersetzten Steckbriefen der „most wanted terrorists“ wedeln. Doch spätestens in acht Jahren, so die US-Pläne, sollte es mit dem „automated translator“ jedem Soldaten auf Patrouille möglich sein, auf der Straße einfache Dialoge zu führen.

Ob der elektronische Dolmetscher allerdings zu den gewünschten Ergebnissen führt, wird erst die Praxis beweisen. Im konstruierten Fall der US-Patrouille in Bagdad würden sich die angesprochenen Einheimischen wohl zunächst verwundert miteinander beraten und dann die Hi-Tech-Kämpfer mit einem global verständlichen Fingerzeig zum nächstgrößeren Platz der Stadt schicken. Dort können die Soldaten dann mit dem Fund einer Saddam-Statue ihre Mission erfolgreich abgeschliessen. KARIM EL-GAWHARY