Gegen Flüchtlinge

Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Union, verschonen aber auch SPD, PDS und Grüne nicht

FRANKFURT taz ■ Weder die Bundesregierung noch die Oppositionsparteien kamen gut weg, als der Interkulturelle Rat und Pro Asyl gestern in Frankfurt die Flüchtlingspolitik in Wahlkampfzeiten beurteilten. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) etwa sabotiere liberalere Konzepte der Europäischen Union durch den „nationalen Alleingang“ mit dem „rückschrittlichen Zuwanderungsgesetz“. Denn darin fehle vor allem eine Bleiberechtsregelung für die Ausländer, die schon lange ohne einen gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland leben und von Abschiebung bedroht sind.

Die Grünen wiederum hätten die „Abschaffung“ der Abschiebehaft aus dem Programm gestrichen und redeten plötzlich nur noch von „Vermeidung“. Und in Berlin werde mit Duldung der PDS fleißiger als in allen anderen Bundesländern abgeschoben: nach Tschetschenien.

Noch schlimmer gerierten sich die „rechtspopulistischen Parteien“ Union und FDP, wobei die CDU bei der Asylpolitik inzwischen „von der CSU geschluckt“ worden sei, wie Günther Burkhardt von Pro Asyl konstatierte. Von den eher liberaleren Vorstellungen der Süßmuth-Kommission jedenfalls habe sich die Union längst verabschiedet. Das Zuwanderungsgesetz sei in den Mühlen des angelaufenen Wahlkampfes vollständig zerrieben worden. So tauche etwa die Härtefallregelung, die von der Süßmuth-Kommission noch empfohlen worden sei, im gerade erst verabschiedeten Programm der CDU überhaupt nicht mehr auf. Ebenso fehle die nichtstaatliche Verfolgung als möglicher Asylgrund. Im CDU-Programm heiße es jetzt stattdessen „bösartig“, dass die Härtefallregelung „massive Anreize für Armutsflüchtlinge aus aller Welt“ schaffe. Die CDU sei ganz offenbar auf Stimmenfang bei den fremdenfeindlich eingestellten Menschen, sagte Jürgen Micksch vom Interkulturellen Rat bitter: „Die Rechtsradikalen können jubeln – in ganz Europa.“

Pro Asyl, der Interkulturelle Rat, das Netz gegen Rassismus und der DGB-Bundesvorstand wollen sich deshalb im Wahlkampf massiv einmischen und sich vor die Flüchtlinge stellen. „Kein Wahlkampf auf dem Rücken von Migranten und Flüchtlingen“ heißt die Kampagne, die jetzt überall in Deutschland anlaufen soll.

Für jede Veranstaltung schütten die Initiatoren einen Zuschuss von 200 Euro an die Aktivisten aus und stellen Infomaterial zur Verfügung. Für jeden Stand in einer deutschen Fußgängerzone gibt es 30 Euro. 56.000 Euro haben die Initiatoren für diese Kampagne, die bis zum 22. September laufen soll, an Spendengeldern bei ihren Mitgliedern und Sympathisanten gesammelt.

Dass jetzt schon so viel Geld zusammengekommen sei, mache dann – trotz der widrigen politischen Umstände – auch wieder viel Mut für die weitere Arbeit, sagte Burkhardt. (Spendenkonto Interkultureller Rat: Postbank Frankfurt, Konto-Nr. 647150-604, BLZ 500 100 60)

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT