Schröder staubt ab

Deutschland siegt 1:0 gegen Südkorea und steht im WM-Finale. Steilpass für den Kanzler, der trotz Pisa und lahmer Konjunktur nun auf einen Sieg im Endspiel am 22. September hoffen kann

BERLIN taz ■ Seit gestern 15.15 Uhr hat Kanzler Schröder wieder ein wenig Grund zur Hoffnung. Vergessen sind momentan die Pisa-Studie, die matte Konjunktur und die blauen Briefe aus Brüssel. Denn die deutsche Fußballelf ist mit einem routinemäßigen 1:0-Sieg gegen Gastgeber Südkorea ins Finale eingezogen.

Dieser Erfolg zeigt: Auch krasse Außenseiter wie Rudi Völlers Elf oder Gerhard Schröders Regierung, die in den Umfragen seit Monaten im Abseits steht, können siegen. Wenn eine Elf, in der Oliver Bierhoff spielt, Weltmeister werden kann, dann ist alles möglich. Dann kann auch ein Kabinett wieder gewählt werden, in dem Rudolf Scharping Minister ist.

Für Schröder, den Meister der Autosuggestion, eröffnen sich damit handfeste Möglichkeiten. Denn wenn die Stimmung steigt, verbessern sich die Wirtschaftsdaten – und das Klima für die Regierung. Die Deutschen kaufen zu wenig, daher die schwache Konjunktur. Das kann sich ändern. Meinungsforscher hatten dies, mit der gebotenen Vorsicht angesichts des Mangels an empirischer Grundlage, bereits vorgestern angedeutet. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt glaubt, dass ein deutscher WM-Sieg der Nachfrage einen Ruck geben kann. Die Gleichung ist einfach: bessere Stimmung gleich mehr Konsum gleich bessere Konjunktur gleich – gut für Gerhard Schröder.

Doch rächen könnte sich Schröders Zögerlichkeit vom April 2002. Damals verabschiedete die SPD ihr Wahlprogramm. Ursprünglich sollte dort stehen: „Deutschland wird Fußballweltmeister.“ Gedacht war an 2006, für 2002 hätte niemand diese Prognose gewagt. Doch Schröder strich diesen Satz – und ersetzte ihn durch die Formel: „Deutschland soll international Spitze im Sport bleiben.“ Autosuggestion geht anders. STEFAN REINECKE

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