big in korea
: FRANK KETTERER über Gravuren in der Ahnentafel

War’s Blödheit, Zufall, Glück?

Heute und aus durchaus angemessenem Anlass mal ein kleiner Exkurs in die glorreiche deutsche Fußball-Geschichte, am besten direkt mitten hinein ins Jahr 1954. Also: Turek, Posipal, Kohlmeyer, Eckel, Liebrich, Mai, Rahn (der aus dem Hintergrund), Morlock, Otmar und Fritz Walter, Schäfer.

Oder 20 Jahre später: Maier, Beckenbauer, Vogts, Schwarzenbeck, Breitner, Hoeneß, Bonhof, Overath, Grabowksi, Müller, Hölzenbein.

Weitere 16 Jahre danach, also 1990: Illgner, Augenthaler, Buchwald, Kohler, Berthold, Häßler, Matthäus, Littbarski, Brehme, Klinsmann, Völler (genau der).

Das sind schon große Namen, die da zusammenkommen, legendenhafte, quasi die Ahnengalerie des deutschen Fußballs, die fehlerfrei aufsagen zu können zur Grundausstattung eines jeden aufrechten Fußballfans im Lande Beckenbauers gehört.

Und jetzt? Muss man diese Galerie jetzt wirklich um eine Ahnentafel verlängern, auf den dann diese Namen geschrieben stehen: Kahn (geht ja noch in Ordnung), Ramelow, Linke, Metzelder, Hamann, Frings, Schneider, Ballack (trotzdem), Bode, Neuville, Klose? Vor allem aber: Was wird man in weiteren 16 oder 20 Jahren über diese Mannschaft von 2002 erzählen? 1954 in Bern, das waren die Helden, die Deutschland nach der Nazizeit wieder eingetragen haben in die gesellschaftliche Weltkarte, Stichwort: Wir sind wieder wer.

1974 in München, das waren die Fußball-Anarchisten, die auf dem Platz ein bisschen die 68er-Revolte weitergespielt haben, man hat das schon an ihren langen Haaren erkennen können. Außerdem spielte man im eigenen Land.

1990 in Rom, das war auch ein erstes Zeichen der zu erwartenden Stärke des wiedervereinigten Deutschlands, nicht umsonst hat Franz Beckenbauer, damals Teamchef, heute Fußballweiser, noch in der Nacht des Titelgewinns bekannt gegeben, dieses Land werde auf Jahre hinaus unschlagbar werden, wenn demnächst auch noch die Fußballer aus dem Osten der Republik hinzukämen.

Zurück aber zum Ausgangspunkt: Wofür stehen eigentlich die Jungs von Yokohama? Für Zufall, der alles möglich machen kann, selbst Deutschland zum Weltmeister? Für Glück? Dafür, dass man mit minimalem Aufwand, also mit Spielen gegen Südkorea, Irland, Kamerun, Paraguay, die Vereinigten Staaten und Südkorea, maximalen Ertrag, also den Titel gewinnen kann? Oder vielleicht doch, wie die Zeit bereits vor dieser WM angemerkt hat, eher für die Pisa-Studie, frei nach dem Motto: Die waren sogar zu blöd, um zu wissen, dass sie keine Chance hatten, und haben nur deshalb gewonnen? Und wenn nicht, wie wär’s mit der Theorie, wonach das Ganze (also die Mannschaft) mehr ist als die Summe seiner Teile?

Okay, man könnte jetzt Kleinigkeiten einwenden wie die, dass Deutschland das Ding in Asien ja noch keineswegs gewonnen hat, und natürlich ist das, rein faktisch gesehen, auch nicht ganz unrichtig.

Aber sollte man so langsam nicht doch besser stehenden Fußes der Wahrheit ins Auge sehen, die Rudi Völler schon gleich nach dem gewonnenen Halbfinale so formuliert hat: „Natürlich können wir jetzt auch Weltmeister werden. Wenn du im Endspiel stehst, willst du alles.“? Oder Carsten Ramelow, der Abwehrchef: „Der Titel ist für uns drin. Es ist schwer, uns zu schlagen.“ Oder Oliver Kahn, der Torhüter: „Ich habe es ja schon immer gesagt: Diese Mannschaft kann Weltmeister werden.“

Zum Abschluss des heutigen Exkurses nochmals ein paar Namen: Kahn (geht ja, wie bereits erwähnt, in Ordnung), Ramelow, Linke, Metzelder, Hamann, Frings, Schneider, Ballack, Bode, Neuville, Klose. Einfach nur so. Für die Fußballfreunde. Zum Merken für alle Zeiten.