Fiepen für fünf Monate

Der Siebenschläfer soll schuld sein, wenn es im Sommer nur regnet. Doch das niedliche Tier kann nichts fürs Wetter

Große, runde Kulleraugen, riesige Fledermausohren, kaum 20 Zentimeter groß: Der Siebenschläfer (Glis glis) perfektioniert das Kindchenschema. Die Spezies dieser Schlafmützen bevölkert die Erde schon seit 64 Millionen Jahren und ist eine der ältesten Nagetierarten. Der Siebenschläfer hat übrigens Familie: Zu den Schläfern oder Bilchen zählen in Europa auch der Gartenschläfer und die winzige Haselmaus.

„Mutter Bilch trinkt Buttermilch“ – aber nur wegen des Knittelverses. Und auch Bier mögen die Bilche nicht, obwohl einer von ihnen kürzlich als Fotomodell für eine Brauerei Furore machte, die auf ihren Plakaten mit Naturnähe wirbt. Vielmehr saufen Bilche recht wenig und mögen lieber Samen, Früchte, aber auch Insekten, Würmer und Schnecken. Sie fressen sich ein ordentliches Wänstlein an und verratzen dann die schlechten Zeiten – also in Eurasien den Winter, in Afrika die Trockenzeit.

Wegen ihrer Fettpolster wurden Bilche früher hierzulande wie anderswo gerne gegessen. Im Römischen Reich gehörten sie zu den geschätzten Tafelfreuden. Sie wurden in Tonkäfigen gehalten, mit Nüssen, Kastanien und Eicheln gemästet und Gästen serviert, je pummeliger, desto delikater. Aber auch Österreicher, Slowenen und Franzosen verspeisten den kleinen, feisten Braten mit Genuss.

Siebenschläfer leben nachtaktiv, fallen vor allem in Südeuropa gruppenweise in Obstplantagen und Weingärten ein, lärmen, pfeifen und quieken. Sie sind perfekte Klettertiere, können sehr gut hören und riechen und orientieren sich zudem mit ihrem Tastsinn. Auf Beutezug nach Insekten und Kleingetier hockt der Bilch still auf einem Ast; die Ohren peilen, zucken sekundenschnell vor und zurück; das Näschen schnuppert die Luft mit leisem Fiepen ein.

In Deutschland leben Siebenschläfer am liebsten in Eichenwäldern, bewohnen zur Jungenaufzucht aber auch Vogelnistkästen. Zum Winterschlaf verkriechen sie sich in alte Baumhöhlen, legen sich auf den Rücken, breiten den Schwanz über sich aus und klappen die Ohren herunter. Sie überwintern aber auch in waldnahen Schuppen, Gartenlauben und Bienenstöcken oder graben sich in die Erde ein. Im Oktober wird zu Bett gegangen, erst im Mai wieder aufgestanden. Das Viech schläft sieben Monate.

Regen am 27. Juni, dem Siebenschläfer, beschert uns nach einer Bauernregel sieben weitere Wochen mieses Wetter. Und was kann das Nagetierchen eigentlich dafür? Rein gar nichts! Denn der Siebenschläfer hat seinen Namen von den christlichen sieben Brüdern Maximiamus, Malchus, Martinianus, Dionysius, Johannes, Serapion und Constantinus, die nach einer frommen Legende angeblich noch schlafmütziger als die Bilche waren. Im Jahr 251 sollen sie einer Christenverfolgung entkommen sein, indem sie sich in einer Höhle bei Ephesos versteckten. Der römische Kaiser Decius ließ sie dort einmauern. Als die Höhle dann im Jahr 446 wieder geöffnet worden sei, da fanden – oh Wunder – die Retter die Brüder friedlich schlafend vor. Das Auferstehungswunder wurde fortan gefeiert und gab dem Tag seinen Namen. Wetterexperten gehen davon aus, dass auch Bauernregeln manchmal ein Körnchen Wahrheit enthalten. In Mitteleuropa werden die Sommer meist so gut oder so schlecht, wie sich das Ende vom Juni präsentiert.

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