SPRINGER/KIRCH: MILLIONENVERLUST GEGEN MILLIARDENKONKURS
: So fantasielos wie lukrativ

Alle, alle Medienbetriebe hatten investiert, als der Neue Markt noch boomte. Vor lauter Anzeigen aus der euphorischen New Economy blähten sich die Zeitungen und Zeitschriften wie Segel, man hatte Fahrt aufgenommen, man hatte Blut geleckt. Also investierten sie in Print-, elektronische und Internettitel. Springer machte da keine Ausnahme und verbrannte mit seinem Onlineauftritt ordentlich Geld, und Kirch nutzte den günstigen Wind, endlich sein Bezahlfernsehen Premiere anzuschieben.

Die Springer-Hauptversammlung für das Geschäftsjahr 2001 zog einen Schlussstrich unter diese wüste Zeit. Zwar hat die Bilanz noch einmal einige ordentliche Schrammen abbekommen, aber insgesamt ist der Konzern halbwegs durch die Anzeigenflaute gerudert. Fast bieder scheinen die Zahlen, die Vorstandschef Matthias Döpfner präsentierte. So etwa: 200 Millionen Schulden bei den Banken, 60 Millionen flüssige Mittel.

Was sind das nur für fast mittelständische Zahlen in dem Glitzi-Medienbusiness, das über Jahre seine Berechtigung durch immer neue Megafusionen unterstrich? Kirch hat es vorgemacht, wie mit Milliarden jongliert wird, er hat sich seine Berufsbezeichnung „Media Tycoon“ zu Recht erworben. Und nun? Kirch ist pleite, und der biedere Springer-Verlag ist im Begriff, sich aus der Konkursmasse die eigenen Aktien zurückzuholen, die sich Kirch einst zugelegt hat.

Unterschiedlicher hätten die „Partner“ nicht sein können: Hier der euphorische Höhenflieger Kirch, dort die Bilanzritter von Springer. Und so sprach Döpfner auf der Hauptversammlung denn auch ausgiebig vom „Kerngeschäft“, den Zeitungen und Zeitschriften. Gestern, an dem Tag, an dem Gruner + Jahr den Verkauf seiner Berliner Zeitung an Holtzbrinck bekannt gab, traute sich Döpfner ein Eigenlob: Die neuen Eigentümer aus Stuttgart, denen auch der Berliner Tagesspiegel gehört, könnten von Springers Fusion der Welt mit der Berliner Morgenpost lernen, wie man Tageszeitungen zusammenlegt. In Zeiten kollabierender Märkte und roter Zahlen zeigen Döpfner und Springer-Verlag, wie man eine Krise überstehen kann: nicht mit Visionen, sondern mit dem Taschenrechner.

ARNO FRANK