Bilanzbetrug löst Börsensturz aus

Telekomriese gesteht Bilanzfälschung ein und verschreckt die Weltbörsen. Wert des Euros liegt fast bei einem Dollar

BERLIN taz ■ Deutsche und europäische Börsen reagierten als Erste, die US-Märkte folgten: Kursabstürze gestern auf breiter Front. Am schlimmsten erwischte es die Telekombranche und deren Ausrüster. Denn der US-Telefonriese Worldcom – Nummer zwei in den USA, großer Internetbetreiber und ehemaliger Star der Branche – hatte am Dienstagabend nach Börsenschluss gestanden, seinen Bilanzgewinn in den vergangenen 14 Monaten um 3,85 Milliarden Dollar nach oben manipuliert zu haben. Damit ist das Vertrauen in den Wert von geprüften Bilanzen ein weiteres Mal gestört, Anleger reagierten teilweise panisch.

Der Kurs der Deutschen Telekom stürzte gestern Morgen um 10 Prozent auf ein neues Rekordtief von 8,14 Euro, bewegte sich am Nachmittag dann um die 8,40 Euro. Die Branchenkollegen in Frankreich und Spanien traf es noch schlimmer, die Briten kamen etwas glimpflicher davon. Der DAX, der Index der 30 deutschen Börsenschwergewichte, sank unter 4.000 Punkte, das US-Pendant Dow Jones unter 9.000. Die Kurse der „sicheren Häfen“ hingegen stiegen – vor allem Staatsanleihen und Gold.

Es profitierte der Euro. Anscheinend schichten große und kleine Anleger massiv vom Dollar in den Euro um. Dieser stieg gestern bis auf 0,9941 Dollar, also fast bis zur Parität. Das ist der höchste Stand seit Anfang 2000. Von der Politik erhielt der Dollar keine verbale Unterstützung. Präsident George W. Bush verwies vielmehr darauf, dass die Marktkräfte den Wert bestimmten. Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) bewertete den Kursanstieg des Euros als vorteilhaft und lag damit im Einklang mit Konjunkturspezialisten: Der Export leidet zwar bei einem höheren Euro, im Inland sinken jedoch die Preise, was die Konjunktur anschiebt.

US-Experten befürchten, dass das Vertrauen in den dortigen Aktienmarkt nach dem jüngsten Worldcom-Skandal dauerhaft geschädigt ist. Kleinanleger sind weiterhin ratlos. REM

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