Schüler sollen zum Bildungs-TÜV

Nach der Schulstudie Pisa: Bundeskanzler stellt Länderkompetenzen in Frage und fordert nationale Bildungsstandards

BERLIN taz ■ Die Debatte um die deutsche Schulpolitik hat eine neue Ebene erreicht: die Kulturhoheit der Länder. Nach tagelangem Gezerre um die miserablen Ergebnisse bei der Schülerstudie Pisa hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gestern die Zuständigkeit der Länderkultusminister in Frage gestellt. „Durch die deutschen Pisa-Ergebnisse steht die föderale Organisation der Bildungspolitik auf dem Prüfstand“, schreibt Schröder in einem heute erscheinenden Beitrag für die Wochenzeitung Zeit.

Der Kanzler stellt darin in Frage, dass die Kultusministerkonferenz (KMK) noch geeignet sei, ein Schulwesen für alle Schüler zu garantieren, „das uns aus der internationalen Zweitklassigkeit herausführt und das regionale Auseinanderdriften der Schulsysteme verhindert“. Schröder forderte, nationale Bildungsstandards zu formulieren und sie durch einen „Bildungs-TÜV“ regelmäßig zu untersuchen. Diese Aufgabe solle nicht mehr allein den Kultusministern überlassen bleiben, sondern müsse durch ein Rahmenschulgesetz des Bundes geregelt werden.

Der Leiter der deutschen Pisa-Studie, Jürgen Baumert, gab dem Bundeskanzler indirekt Recht. Die regionalen Differenzen der Schülerleistungen gefährdeten inzwischen die „Lebensperspektive eines großen Teils der Jugendlichen“, sagte der Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung der taz. Das Grundgesetz schreibe die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse vor, sagte Baumert. Da dürfe einen Schüler der „Wechsel von der Isar an die Weser nicht zwei Schuljahre kosten“.

Aus der am Dienstag veröffentlichten Pisa-Studie geht hervor, dass der Unterschied zwischen bayrischen und Bremer Schülern bei eineinhalb bis zwei Jahren liegt.

Der Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber, will der KMK eine „letzte Chance“ geben. Stoiber sagte gestern, er wolle „an der Länderzuständigkeit für Bildung nichts Grundsätzliches ändern“. CHRISTIAN FÜLLER

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