Ein Theater leben

Von einer Bühnenkunst, die der Versöhnung dient, hat die Schauspielerin immer geträumt: Hamburger Theatersammlung und Staatsbibliothek zeigen eine Ausstellung über Ida Ehre

von CHRISTIAN RUBINSTEIN

Am Ende war es eine Ära und sie selbst der Inbegriff einer „Prinzipalin“. Über insgesamt vier Jahrzehnte hat Ida Ehre die Hamburger Kammerspiele geleitet. Sie fest in das Theaterleben der Stadt integriert. Dieser Erfolg war nicht abzusehen, als sie sich 1945 bei der britischen Besatzungsmacht um das Haus an der Hartungstraße bewarb. Da hatte die 1900 in Mähren geborene Schauspielerin als Jüdin gerade zwölf Jahre Berufsverbot und Verfolgung hinter sich.

Doch aufgehört, vom Theater zu träumen, hatte sie wohl nie. Das meint jedenfalls die Leiterin der Hamburger Theatersammlung Michaela Giesing, die die Ausstellung im Foyer der Staatsbibliothek konzipiert hat: „Ehre hat schon in der Zeit der erzwungenen Untätigkeit an ihren Theaterplänen gearbeitet. Einem Theater, das der Versöhnung dient.“ Als Beleg zieht sie Erinnerungen von Wegbegleitern der Theaterleiterin heran. Und einen Brief, mit dem sie sich 1945 an die britische Verwaltung wandte, ist eines der Textdokumente, die die Ausstellung reizvoll machen. Ida Ehre bekannte sich zur Tradition des Kammerspiels, stellte aber auch das Spielen noch unbekannter junger Dichter in Aussicht.

Die Dokumentation dieses Theaterlebens in einer Ausstellung ist durch das Zusammenlegen der Bestände von Staatsbibliothek und Hamburger Theatersammlung möglich geworden. Im November 2000 hat die Staatsbibliothek wichtige Teile aus dem Nachlass von Ida Ehre erworben. Etwa 500 Briefe, Karten und Telegramme aus der Zeit von 1945 bis zu ihrem Tod im Jahr 1989 waren darunter. Aber auch Theaterkritiken ihrer frühen Jahre als Schauspielerin und Rollenbücher der Hamburger Zeit.

Die Theatersammlung kann aus dem Archiv der Kammerspiele schöpfen, das sie nach dem Tod der Intendantin übernommen hat. Neben den Textdokumenten bilden eine Vielzahl von Fotografien den Kern der Ausstellung. Portraits zeigen die junge Schauspielerin am Theater in Mannheim. Szenenfotos geben einen Eindruck der Rollenvielfalt von vier Jahrzehnten Kammerspielen.

Diese Zeit der Intendantin Ida Ehre hat Ausstellungsleiterin Giesing in drei Abschnitte eingeteilt. Zunächst der Kampf ums Theater und die Aufbruchsstimmung mit den ersten Stücken in den Jahren 1945-48. Im ehemaligen Jüdischen Gemeinschafshaus an der Hartungstraße integrierte die Theaterleiterin Schauspieler, die gerade aus Konzentrationslagern entlassen waren, und Künstler, die in der Nazizeit eine ungebrochene Karriere hinter sich hatten. Das Programm war an modernen Klassikern wie Ibsen und Shaw orientiert.

Der zweite Abschnitt zeigt die fünfziger und sechziger Jahre. Die finanzielle Situation dieser Jahre ließ die Möglichkeiten der Kammerspiele hinter denen der Staatstheater zurücktreten. Aber auch hier konnte Ehre mit einem Kreis von befreundeten SchauspielerInnen das Profil des Hauses schärfen. Berühmtheiten wie Therese Giese spielten zum Teil ohne Gage und freuten sich, schauspielerisch gefordert zu werden.

Der letzte Teil der Ausstellung widmet sich den siebziger und achtziger Jahren. Er rückt die „Bürgerin“ in den Mittelpunkt. So sind Reaktionen auf ihren Auftritt bei der Aktion „Künstler für den Frieden“ im Millerntorstadion zu sehen. Auch das Foto von Ehre bei der Gedenkstunde für die Opfer der Nazi-Pogrome im Bonner Bundestag im Jahr 1988 ist ausgestellt. Ebenso die Mitschrift der skandalträchtigen Rede des damaligen Bundestagspräsidenten Philipp Jenninger.

Bis 13. Juli im Foyer der Staatsbibliothek. Geöffnet Mo-Fr 9-21, Sa 10-13 Uhr