„Alles guckt auf uns“

200 AusbilderInnen streiken bei der Stiftung Berufliche Bildung gegen drastische Senkungen des Gehaltsniveaus

„Wenn wir die Forderungen der Gewerkschaft erfüllen, geht das Unternehmen kaputt.“ Das ist wohl die häufigste Aussage, die in den Tarifrunden von Unternehmern gefallen ist und noch fällt. So gestern im Hotel „Baseler Hof“ vom Chef der Stiftung Berufliche Bildung (SBB), Frank Glücklich. „Der Streik ist unverantwortlich“, wettert er. In dem stadtstaatlichen Qualifizierungs-Unternehmen befinden sich seit Mittwoch die rund 200 AusbilderInnen im „Vollstreik“, für rund 1400 KursteilnehmerInnen fällt täglich der Unterricht aus. Heute wird der Arbeitskampf indes ausgesetzt. Ver.di-Sprecher Roland Kohsiek: „Ein längerer Erzwingungsstreik ist nicht zulässig.“

Im Tarifstreit geht es ums Eingemachte: Zum Jahreswechsel hat die SBB die Tarifgemeinschaft öffentlicher Arbeitgeber verlassen und den Gehaltstarifvertrag BAT und den Manteltarif (MTV) gekündigt, um Gehaltssenkungen durchzusetzen. „Es wird bei der SBB weit über dem Niveau gezahlt, was in der Weiterbildungsbranche üblich ist“, so Glücklich. Viele der fast 100 Qualifizierungsträger in Hamburg seien sogar „tariffrei“. Die hohen Gehälter hätten bislang nur deshalb gezahlt werden können, weil die SBB frühzeitig mit den Beschäftigten zusammen einen Modernisierungsprozess eingeleitet habe. „Unsere Rationalisierungsreserven sind aber erschöpft“, klagt Glücklich. „Eine Anpassung an das Branchenniveau ist notwenig.“ Denn für das kommende Jahr prognostiziert der Vorstand wegen der Umsrukturierung der Arbeitsmarktförderung durch das Arbeitsamt erstmals rote Zahlen in Höhe von 500.000 Euro.

Dass es Probleme gibt, gestehen die Gewerkschaften ver.di und GEW durchaus ein. Daher sind sie auch grundstätzlich bereit, das Niveau bei den Neueinstellungen zu senken, aber, so Kohsiek, „nicht so drastisch“. Ferner soll die Besitzstandswahrung schon nach zwei Jahren auslaufen und der Manteltarif keine Anwendung mehr finden.

Heute tagt der Aufsichtsrat, der den Eskalationskurs des SBB-Vorstandes – obwohl es nicht seine Aufgabe ist – nicht nur mitgetragen, sondern auch gefördert habe. Kohsiek: „Der soll den Vorstand nun auch wieder anweisen, ein neues Angebot vorzulegen.“ Glücklich tut so, als wenn er die Welt nicht mehr versteht: „Warum bestreikt ver.di ein Hochlohnunternehmen, statt die Billiglohnzahler“, so die rhetorische Frage. Die Anwort gibt Kohsiek: „Die ganze Branche guckt auf uns, wenn hier eine drastische Absenkung stattfindet, beginnen überall neue Absenkungsrunden.“ KAI VON APPEN