big in japan
: FRANK KETTERER über Abwechslung durch Unterstellung

Wie konnte es nur so weit kommen?

So weit musste es ja kommen: Kaum spielt die deutsche Mannschaft hier beim großen Fest in Japan und Südkorea endlich mal richtig Fußball, glauben alle anderen, es könne ja wohl nicht mit rechten Dingen zugegangen sein. Sondern: die deutschen Spieler müssten gedopt gewesen sein. Ein südkoreanischer Radiosender hatte die reichlich haltlose Unterstellung bereits vermeldet und auch noch gleich, dass das DFB-Team aus diesem Grunde vom Finale am Sonntag kurzerhand ausgeschlossen werden würde.

Kurz darauf übernahm auch der große staatliche Fernsehsender SBS in einer seiner Sendungen die Falschmeldung, und auch wenn die deutsche WM-Delegation die Nachrichten im Fernsehen kaum verstehen konnte, so sorgte die Botschaft doch für helle Aufregung beim Deutschen Fußball-Bund. Schleunigst wurde mit den zuständigen Stellen beim Fußball-Weltverband Fifa telefoniert, „um diesen Schwachsinn im Ansatz zu ersticken“, wie es Harald Stenger, der Pressechef des DFB, formulierte. Kurze Zeit später kam von der Fifa und somit hochoffiziell auch schon die Entwarnung. „Ich kann absolut hundertprozentig sagen, dass da überhaupt nichts dran ist. Das ist bombensicher“, stellte Fifa-Medienchef Keith Cooper bombensicher fest, und auch Jiri Dvorak, der Chefmediziner der Fifa, bestätigte, dass die nach dem Halbfinale genommenen Proben von Torsten Frings und Miroslav Klose wie alle vorangegangenen auch negativ gewesen seien – und so wurde der schlechte Scherz auch schon wieder zu den Akten gelegt.

Immerhin: Wenigstens für ein bisschen Stimmung und Abwechslung in der Bude hat der Vorfall gesorgt, und auch die deutschen Spieler sind jetzt bestimmt wieder hellwach. Und darauf wird es ja auch am Sonntag in Yokohama ankommen, schließlich heißt der Gegner dann Brasilien und ist so etwas wie das fußballerische Nonplusultra – oder besser gesagt: Überhaupt erst der erste Gegner von Weltklasseformat, auf den die deutsche Mannschaft bei diesem WM-Turnier trifft. Deshalb, so sagt es Torhüter Oliver Kahn, muss auch jeder deutsche Spieler „das Spiel seines Lebens machen, wenn wir sie schlagen wollen“, in etwa also so, wie Kahn das schon die ganze Zeit hier tut in Asien. Und auch Teamchef Rudi Völler kehrt die besonderen Qualitäten des nächsten Gegners hervor, der nicht nur prinzipiell, sondern diesmal auch in der Tat der schwerste ist: „Man kann ja praktisch einen zweiten 23-Mann-Kader der Brasilianer aufstellen und hierher schicken, wenn man sieht, wen die alles zu Hause gelassen haben.“

Bis auf Leverkusens Lucio zum Beispiel alle Bundesliga-Brasilianer, die in ihren Bundesligavereinen zwar brav vor sich hin zaubern und das Publikum verzücken dürfen, wie zum Beispiel der Münchner Elber, der Berliner Marcelinho oder der Dortmunder Amoroso, für die Seleção dann aber doch zu schwächlich sind. Fürs Land darf nur der R-Sturm stürmen, also Rivaldo, Ronaldo sowie Ronaldinho. 16 Tore haben die drei und Kollegen bei dieser WM schon gemacht, mehr als jede andere Mannschaft, was dazu führt, dass am Sonntag der beste Sturm, also der Brasiliens, auf die beste Abwehr trifft, also die von Deutschland, die bisher erst einen Gegentreffer hinnehmen musste.

Auf Carsten Ramelow und Konsorten wird es somit auch am Sonntag ankommen, das steht fest. „Das Wichtigste ist, dass wir nicht versuchen, mit den Brasilianern mitzuspielen. Auf keinen Fall dürfen wir den offenen Schlagabtausch suchen, sonst ist man zweiter Sieger“, fordert entsprechend Didi Hamann, und auch Rudi Völler hat bereits angekündigt, die Defensive weiter stärken zu wollen. Was wohl schon deswegen geschieht, weil Michael Ballack ja bekanntlich nicht mit dabei ist, weil er ja unbedingt den Helden spielen musste, und sich Jens Jeremies immer mehr als Ersatzkandidat Nummer eins herauskristallisiert. Zwar würde Rudi Völler das, wie vor jedem Spiel, nie in dieser Deutlichkeit sagen, zugeben muss aber auch er: „Jens ist eine gute Alternative. Er hat eine Menge Power.“ Oliver Kahn, der Mann im deutschen Kasten, hat sogar noch mehr, nämlich ein Gefühl. Und dieses sagt ihm, „dass wir Weltmeister werden. Aber ich kann das nicht erklären.“ Wer könnte das schon?