DEN HOMOSEXUELLEN HABEN NICHT NUR DIE NAZIS UNRECHT GETAN
: Entschuldigt euch für Adenauer!

Es wurde Zeit: Durch die Einrichtung der Magnus-Hirschfeld-Bundesstiftung soll jetzt wenigstens symbolisch das Unrecht wieder gutgemacht werden, das Homosexuellen durch Nazi-Deutschland angetan wurde. Doch die Frage ist jetzt nicht nur, ob der Bundesrat bis zum 22. September dem entsprechenden Gesetz zustimmt. Wichtiger ist, ob der Bundestag im Falle einer Ablehnung noch vor dem Wahltag die Gelegenheit ergreift, die Länderkammer zu überstimmen – damit auch im Falle eines Regierungswechsels nichts rückgängig gemacht kann. Denn „Union erklärt Homos wieder zu Parias“ ist keine Schlagzeile, die ein Kanzlerkandidat Stoiber riskieren könnte.

Eine weitere Frage ist, ob denn mit der Bundesstiftung das Thema Vergangenheitspolitik und Homosexuelle erledigt sein kann. Die Antwort heißt: nein. Der Grund ist einfach: Schwule Männer wurden nicht nur bis 1945, sondern bis 1969 auf Grundlage des Naziparagraphen 175 verfolgt, verurteilt und für ihre Liebe mit Gefängnis bestraft. Und diese Repression war demokratisch-rechtsstaatlich legitimiert: Noch 1957 erklärte das Bundesverfassungsgericht, der von den Nazis verschärfte Paragraph 175 (inklusive seiner tödlichen Auswirkungen) sei nicht spezifisch nationalsozialistisch geprägt. Von der Gründung der Bundesrepublik bis Ende der Sechzigerjahre wurden mehrere tausend Männer um ihren Ruf, ihre Position, oft auch um ihre Existenz gebracht – weil sie Sex mit anderen Männern hatten und dafür verpetzt, von der Polizei aufgespürt und in „rosa Listen“ eingetragen wurden. Bisher hat noch keine Koalition gewagt, sich für dieses Unrecht zu entschuldigen. Immer wieder hieß es, „rechtssystematische Probleme“ stünden einem Erfolg entgegen – aber das ist eine Ausrede, die hilft, sich nicht mit diesem skandalösen Kapitel beschäftigen zu müssen.

Offenbar hat sich innerhalb unserer politischen Elite bis heute niemand mit der Frage beschäftigt, weshalb Homosexualität nur in solchen Ländern besondere Furcht bei Jugendlichen auslöst, die vor nicht allzu langer Zeit (meist rechte) Diktaturen waren. Es wäre Zeit. JAN FEDDERSEN