Weit weg von Chinas Pilzplantagen

Hinterm Hollerdeich wird das menschliche Immunsystem durch chinesische Pilze befördert. Die Wachstumsbalance der Pilze bereitet dem Bremer Züchter Winfried Mindermann an schönen Sommertagen allerdings besondere Sorgen

Können Austernpilze wild an der Weser wachsen? „Nein“, sagt Winfried Mindermann spontan. Man kann es ihm nicht verdenken. Ein Pilzzüchter ist schließlich kein Sammler.

Doch dann räumt der studierte Gartenbauer ein: Austernseitlinge könnten vereinzelt wohl wild an Weser-Weiden wachsen. Ihm selbst seien Pilze allerdings lieber im feuchten Glashaus. Am liebsten auf den Buchenstümpfen, den Stroh- oder Sägespanballen im eigenen, das sich hinterm Hollerdeich in Lilienthal duckt – und die Pilzbrut darin weitgehend frei von Umwelteinflüssen hält. Nicht einmal das Wasser, das draußen üppig in Gräben schwappt, kommt an sie heran. „Pilze reagieren empfindlich auf Dünger und Bakterien“, erklärt Mindermann fürsorglich.

Vor sieben Jahren hat sich der Bremer der Pilzaufzucht verschrieben. Zuerst experimentell, im Oberneulander Garten der Eltern. „Bis die Nachbarn sich über das Licht nachts in meinem Folientunnel beschwert haben. Banausen, ahnungslos vom Wert der Braunkappen, Limonenpilze und Roten Flamingos.“

Mit denen ging es los. „Wie Huhn oder Fisch paniert und gebraten sind die total lecker.“ Aber empfindlich – und hierzulande unbekannt. Nachfrage aber brauchte der damals 26-Jährige, um die Idee von der Pilzzucht nach holländischem Vorbild zu kommerzialisieren. Seit sieben Jahren liefert er mitttlerweile Braunkappen, Austern- und Shiitakepilze an Bremer Märkte und Bioläden. „Schnupfenfreie Jahre“, lacht der Raucher, der aus Gesundheitsgründen auf den Pilz kam, auch wenn er heute einschränkt: „Pilze sind keine Wundermittel.“ Obwohl er auf der Suche nach einem solchen Elixier auf sie stieß.

Die Malaria hatte Mindermann in Tansania erwischt. „Ich habe da bei den Schimpansen gelebt. Jane Godall und so. Ein Praktikum“, sagt der Mann mit den dunklen Locken. Und dass ihn die westliche Heilkunst zwar überleben ließ, er aber trotzdem lange nicht wieder richtig auf die Beine kam. Bis er von der Wirkung chinesischer Pilze hörte, von denen einige nachweislich das Immunsystem stärken. In Deutschland werden an manchen Kliniken inzwischen Krebs- und Aidskranke mit ihren Wirkstoffen behandelt. Aber auch Speisepilze wie der würzige Shiitake haben einen guten Ruf als gesundheitsfördernd.

Aber Winfried Mindermann hat als Züchter andere Sorgen. Erst kommt der Juni. Spargelzeit. „Kein Mensch denkt dann an Pilze“, stöhnt er. Dann wird es auch noch heiß. „Sonnentage sind schrecklich“, runzelt er die Stirn. Denn Pilze lieben es dunkel und feucht. Um es ihnen recht zu machen, arbeitet Mindermann mit Verdunstungskälte und Verdunklungsmatten. Trotzdem muss die Frischluft stimmen. Zugleich darf das Holz nicht zu frisch sein, in das er die Pilze impft – und natürlich auch nicht belastet. Darauf legen er und die Kunden wert. Die Stämmchen, die sich im schummrigen Licht wie eine gerodete Baumschule auf den Gewächshaustischen dicht an dicht schmiegen, kommen aus Bremen-Nord.

Dass es dabei bleibt, ist nicht sicher. Denn neue Anbautechniken sind auch im Pilzsektor gefragt. Daran tüftelt auch der Bremer, der bisweilen sogar „Betriebsspionage“ fürchet, aber trotzdem den Humor bewahrt. Wenn er Pilzinteressierten erzählt, dass man die Pilzbrut nach drei Monaten Aufbau im Holz erst durch Schock zum Austreiben bringt. „Ich werfe sie in kaltes Wasser“, sagt er und lacht über erstaunte Gesichter. Dann gibt er zum Besten, dass man in Chinas Pilzplantagen den Schock mit einem Hammerschlag auf die Stämme auslöst.

In China, dem Pilzzuchtland schlechthin – wo Mindermann sich gerne mal auf einer Pilzplantage umsehen würde.

ede