Kreuzworträtsel Parkdeck

Kein Auto weit und breit, dafür Wolfsgeheul und Spielerei. Das Moderne Tanztheater der Bremer steptext dance company feiert in der Hochgarage am Brill Premiere

Aus den Wölfen wurden ungezogene Kinder, die ihre Suppe nicht aufessen wollten

„Steptext“. Schon der Name der Bremer Tanzgruppe liefert genug Deutungsvielfalt. „Gestufter Text“, „Beschrittener Text“ oder gar „Text Schritt“?

Modernes Tanztheater ist eben so. Vielfältig, lebendig, sich selbst erneuernd und das ständig. Für Helge Letonja, Kopf des 1996 gegründeten Ensembles, reflektiert zeitgenössischer Tanz die Identität einer modernen Gesellschaft. So soll diese Kunstform Berührungspunkte zu verschiedenen Wissenschaften und philosophischen Ansätzen schaffen. „Entre chien et loup“ ist sowas. Oder hat den Anspruch, so etwas Erhellendes zu sein.

Der ungewöhnliche Aufführungsort und die geheimnisvollen Ankündigungen über „Entre chien et loup“ in den Tageszeitungen machen neugierig. Knapp 100 Neugierige fanden sich zur Premiere auf der Dachetage des Parkhauses am Brill ein. Die Sonne stand schon tief genug, um sich mit dem Spiel der drei Tänzerinnen und der vier Tänzer zu verbinden. Auch die Motorengeräusche von der Straße berührten sich mit der Musik, ohne störend aufzufallen.

Mit der einsetzenden Dämmerung folgte das Publikum dem Geschehen von Ebene zu Ebene, wobei sich die Handlung mit den Ortswechseln wandelte und zuweilen auflöste. So rasten Wölfe im Liebestaumel über die Parkflächen, um sich gleich in der nächsten Szene, eine Etage tiefer, am Mittagstisch wiederzufinden. Aus den Wölfen wurden schließlich ungezogene Kinder, die ihre Suppe nicht aufessen wollten.

Im Wechsel zwischen Wolfsrudel und Menschenfamilie wanderte der Besucher durch die autoleeren Parkebenen und stieß auch mal auf herumliegende Leichen. Doch schon bald stand die Tote wieder auf und ging schließlich mit all den anderen vielleicht-, vielleicht-auch-nicht-Getöteten ins Paradies ein. Ein Garten mitten im Haus des Autos. Blumen, grüne Bäumchen, Laub und Rasen auf Asphalt. So endete das Familiendrama, alle vereint und glücklich im Blechkistenhausparadies.

Manchmal fand man diese philosophischen Ansätze, die zeitgenössischen Strömungen und Spielereien, über die Helge Letonja spricht. Ganz zu Beginn von „Entre chien et loup“ gebiert die Mutter ihre Tänzerinnen und Tänzer und löst dabei ein Kreuzworträtsel. Ist ein Wort gelöst, will gleich das nächste gelöst werden. Im Grunde könnte ein Kreuzworträtsel so groß sein, dass es nie endet. Wie ein Duden. Sucht man im Wörterbuch nach einem Wort, findet man neue Wörter.

Das kann endlos so weiter gehen. Den Schluss bestimmt der Mensch selbst und nicht die Worte. Ebenso endet das Tanzspiel nicht mit dem Tod, es endet in einem paradiesischen Garten – und das mitten in einer der tieferen Etagen in diese Parkhaus.

Nicht viele von diesen Spielereien lassen sich in der eineinhalbstündigen Vorstellung durchschauen, dazu springt die Handlung zu sehr. Ebenso wechselt Sprechtheater mit Tanztheater, scheinbar willkürlich. So ist das eben. Im Traum wie im Tanztheater treffen Illusion und Wirklichkeit aufeinander, die Trennlinie aber zieht der Mensch.

Noch zieht Helge Letonja mit seinem wechselnden Ensemble von Ort zu Ort. Doch bald hat die „steptext dance company“ einen festen Proben- und Spielort. Die Schwankhalle im Buntentor wird ab April 2003 gemeinsam mit dem Jungen Theater, der MIB und dem Quartier in der Neustadt den Spielbetrieb aufnehmen.

Hannes Krug

Weitere Vorstellungen von „Entre chien et loup“ sind am 29. Juni und 4. bis 6. Juli 2002, jeweils um 21 Uhr im Parkhaus am Brill. Preise: 15 Euro, ermäßigt: 10 Euro. Kartenvorbestellungen unter: ☎ 0421 70 42 16.