Lachnummern im Parlament

Im Abgeordnetenhaus stand gestern der Bildungsetat auf der Tagesordnung – und die Opposition nutzte ihn zu heftiger Kritik: „Investieren Sie endlich in die frühkindliche Bildung, Herr Böger!“

von SABINE AM ORDE

Kurz vor halb zehn sah sich Walter Momper genötigt einzugreifen. „Es ist wirklich sehr unruhig im Saal“, rügte der Parlamentspräsident die Abgeordneten. „Und das liegt nicht nur an den Zwischenrufen.“ Die allerdings gab es auch zahlreich, als die SPD-Abgeordnete Felicitas Tesch gestern Morgen als erstes Mitglied der rot-roten Regierungsfraktionen ans Redepult trat, um den Haushaltseinzelplan 10 zu verteidigen: die Mittel für Bildung, Jugend und Sport.

Viel Neues war freilich nicht zu erwarten. Denn den letzten Versuch der Grünen, die drastischen Einsparungen in den Kindertagesstätten abzufedern, hatte die Koalition schon am Vortag abgelehnt. Und so war es die Gelegenheit zur Abrechnung mit der rot-roten Bildungspolitik – und die wurde von der Opposition reichlich genutzt. Zwischenrufe vor allen von den Hinterbänken der CDU-Fraktion, aber auch Gerede und Getuschel im Saal waren mitunter so laut, dass die SPD-Schulpolitikerin kaum zu verstehen war. Ähnlich erging es ihrer Kollegin von der PDS, Sieglinde Schaub. Beide sprachen von „schmerzhaften Einschnitten“, um diese dann zu verteidigen.

CDU, FDP und Grüne warfen der Regierung vor, durch Kürzungen im Bildungs- und Jugendbereich ihre Wahlversprechen zu brechen. „Ihr Slogan ‚Bildung hat Priorität‘ ist zur Lachnummer geworden“, sagte die FDP-Abgeordnete Mieke Senftleben und beurteilte die Einsparungen bei den Kitaleiterinnen als „kontraproduktiv“. Statt ihren Aufgaben als Leiterinnen nachzugehen, sollen diese künftig mehr Zeit in Kindergruppen verbringen. Der CDU-Abgeordnete Sascha Steuer kritisierte die Vergrößerung der Hortgruppen und die Kürzungen bei den Schulen in freier Trägerschaft als „Sparen mit der Brechstange“. Und Özcan Mutlu von den Grünen forderte die rot-roten Bildungspolitiker auf, endlich Konsequenzen aus den dramatischen Ergebnissen der Pisa-Studie und der Sprachstandserhebung Bärenstark zu ziehen. „Investieren Sie in die frühkindliche Bildung, stärken Sie Kitas und Grundschulen – und kürzen Sie nicht.“ Worauf die drei Oppositionspolitiker nicht hinwiesen: FDP und Grüne hatten in den rot-gelb-grünen Koalitionsverhandlungen selbst weitreichenden Einsparungen in den Kitas zugestimmt – und die CDU ist an der Finanzmisere der Stadt ja nicht ganz unschuldig.

Als SPD-Bildungssenator Klaus Böger schließlich ans Redepult trat, fing auf der Besuchertribüne ein Kind an zu brüllen. Böger nahm es gelassen. „Kindergeschrei ist mir lieber als das Geplärre von der FDP“, rief er ins Mikrofon und wartete, bis es leiser wurde, um seine Einsparungen als vertretbar zu verteidigen: „Auch die Bildung muss einen Konsolidierungsbeitrag leisten.“ Als dann aber wenig später aufgebrachte Eltern aus Kreuzberg und Neukölln rote Karten von den Rängen ins Plenum warfen, wollte Böger nur noch eines: seine Rede beenden.