Der Sparhaushalt siegt mit 75:57

Das Abgeordnetenhaus verabschiedet den Doppelhaushalt mit den Stimmen der rot-roten Koalition.75 Parlamentarier votieren mit Ja, 57 mit Nein. Zuvor tobte ein Streit über die mögliche Verfassungswidrigkeit des Etats

Der erste rot-rote Landeshaushalt 2002/2003 ist möglicherweise verfassungswidrig. Zum Abschluss der gestrigen Haushaltsdebatte räumte Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) ein, der Etat sei „eindeutig rechtswidrig“, weil die Neuverschuldung über der Höhe der Investitionen liege. Das wüssten „alle“. Sarrazin wies jedoch die Verantwortung dafür zurück. Bei seinem Amtsantritt habe er einen Schuldenberg von 41 Milliarden Euro vorgefunden.

Rechtswidrige Haushalte haben allerdings schon in der Vergangenheit vorgelegen. Sarrazin sagte, die CDU habe früher bei ihrer Haushaltsaufstellung „massiv geschummelt“, um das zu vermeiden. Auch der letzte Haushalt der großen Koalition sei verfassungswidrig gewesen.

Wenig später widersprach der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) öffentlich seinem Finanzsenator. Der Etat für 2002/2003 sei nicht rechtswidrig, sondern bewege sich im Rahmen der Verfassung, betonte der Regierungschef am Freitag im Abgeordnetenhaus. Er begründete dies mit dem „Ausnahmetatbestand des wirtschaftlichen Ungleichgewichts“. Die Differenz von 4,3 Milliarden Euro zwischen Neuverschuldung und Investitionen sei nicht durch Einsparungen zu decken, so Wowereit. Dies sei „keine Interpretation, sondern Notwendigkeit“.

Ein Antrag von CDU und FDP auf Vertagung der Haushaltsabstimmung wurde mit den Stimmen der rot-roten Koalition abgelehnt. Beide Fraktionen wollten zunächst in einem Eilverfahren vor dem Landesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit des Etats prüfen lassen.

Für den Fall einer Verfassungswidrigkeit des Etats werde die Opposition beim Landesverfassungsgericht Klage einreichen, kündigte Grünen-Fraktionschef Wolfgang Wieland an. Wann das geschehe, könne er derzeit aber noch nicht sagen. Er gehe jedoch von einer schnellen Entscheidung des Gerichts aus. Allerdings werde sich dadurch am Etat nichts ändern. Gegenüber dem Bund hätte Berlin aber ein Druckmittel für notwendige Entschuldungshilfen. Diese wären ein „Stück Wiedergutmachung“ für die nach der Wiedervereinigung überhastet gekappte Berlin-Hilfe.

Ähnlich äußerte sich PDS-Fraktionschef Harald Wolf. Das Landesverfassungsgericht könne Rot-Rot nur unterstützen, so der ausgewiesene Haushaltsexperte. Es gebe eine „extreme Schieflage“ des Haushalts, deshalb müsse es weitere Konsolidierungsanstrengungen geben. Er halte den Gang Berlins vor das Bundesverfassungsgericht für „unverzichtbar“.

Am Abend verabschiedete das Abgeordnetenhaus mit den Stimmen von SPD und PDS den Doppelhaushalt. Für den Haushalt votierten 75, dagegen 57 Abgeordnete. Für 2002 und 2003 sind Ausgaben von jeweils rund 21,1 Milliarden Euro vorgesehen. Allein für Kreditzinsen müssen in diesem Jahr knapp 2,3 Milliarden Euro aufgebracht werden. Die Schulden in der Hauptstadt belaufen sich auf knapp 40 Milliarden Euro. Vom Sparkurs betroffen sind unter anderem Kindertagesstätten, Theater, Opern und der Sozialbereich, der allein 26 Millionen Euro pro Jahr einsparen muss. RICHARD ROTHER