GS agri darf wieder produzieren

Nitrofen-Futtermittelwerk in Niedersachsen kann nach Grundreinigung wieder Geflügelfutter liefern, von den Vorwürfen ist nichts übrig geblieben. Bundesweite Verschärfung des Lebensmittelrechts beschlossen. Streit auf EU-Ebene um Reformen droht

aus Hannover JÜRGEN VOGES

Die vollmundigen Drohungen des niedersächsischen Landwirtschaftsminister Uwe Bartels (SPD) gegen den Futtermittelhersteller GS agri bleiben ohne Folgen. Das zentrale Unternehmen des Nitrofenskandals, dass allein in Niedersachsen 59 Biobetriebe mit verseuchten Futtermitteln beliefert hat, darf nicht nur demnächst die Produktion von Ökofutter wieder aufnehmen. Bartels hat außerdem das futtermittelrechtliche Verfahren mit dem Ziel der Stilllegung des gesamten Unternehmens GS agri eingestellt. Im Gegenzug habe der Futtermittelproduzent zusätzliche Kontrollen zugesagt, die weit über das gesetzlich Vorgeschriebene hinaus gingen, sagte Bartels gestern in Hannover.

Das Verfahren auf Schließung hatte der Minister eingeleitet, weil das Unternehmen gegen „Sorgfalts- und Meldepflichten“ verstoßen und die Behörden viel zu spät über die Nitrofen-Belastungen informiert hatte. Gestern erteilte der gleiche Landwirtschaftsminister dem Unternehmen nun mit der Begründung Absolution, es lägen „keine Hinweise dafür“ vor, dass „GS agri wissentlich nitrofenbelastete Futtermittel in den Verkehr gebracht hat“.

Der Ökobereich von GS agri kann laut Angaben von Bartels nach einer wochenlangen Reinigung des Betriebs die Produktion von Ökofutter wieder aufnehmen. Die zusätzlichen monatlichen Kontrollen soll das Deutsche Institut für Lebensmitteltechnologie übernehmen. Außerdem muss GS agri ein Havariebuch führen und etwa auch einen zusätzlichen Mitarbeiter zur Qualitätsüberwachung einstellen. Rückstellproben sollen in dem Unternehmen künftig ein Jahr statt der bislang vorgeschriebenen drei Monate aufbewahrt werden. Mit der Vereinbarung sei für seine Behörden die Bewältigung des Nitrofenskandals im Wesentlichen beendet, sagte der SPD-Politiker.

Als Folge des Skandals werden das Lebens- und das Futtermittelrecht verschärft. Darauf verständigten sich Bundestag und Bundesrat am Donnerstag in Berlin. Demnach sollen im Lebensmittelrecht Unternehmen verpflichtet werden, Rückstände, die bei internen Kontrollen entdeckt wurden, den Behörden zu melden. Bislang genügt eine so genannte stille Rückrufaktion. Künftig muss außerdem jeder, der Grund zur Annahme hat, dass Futtermittel verunreinigt ist, dies melden. Zudem werden erstmals konkrete Anforderungen an Futtermittelkontrolleure festgelegt.

Auf europäischer Ebene droht mit den Wahlsiegen der konservativen Regierungen ein Rückschlag bei der anstehenden Agrarreform. Der wichtige französische Agrarminister Hervé Gaymard kündigte entschiedenen Widerstand gegen die Pläne von EU-Agrarkommissar Franz Fischler an – im Gegensatz zur deutschen Kollegin Renate Künast. Die Vorschläge Fischlers im Rahmen der Agrar-Halbzeitbilanz („Mid-Term-Review“) der laufenden Agrarperiode bis 2006 sehen unter anderem vor, die Auszahlung von EU-Beihilfen an Agrarbetriebe nicht mehr wie bisher an die Produktionsmenge zu koppeln.