Straßenverkehrsordnungen

Darf man Falschparker jagen? Oder muss man sie mit Samthandschuhen anfassen? Vor allem aber: Wie steht es mit einer Knöllchenquote? Sittenbilder aus einer durch und durch autogerechten Stadt

von STEFAN ALBERTI

Da wollte ein Polizeioberer mal im Revier aufräumen mit dem Falschparken. Immer öfter waren in seinem Abschnitt in Pankow Behindertenplätze und Busspuren zugestellt. Die Kollegen sollten darauf stärker ein Auge haben, so der Tenor einer Dienstanweisung.

Zu seinem Pech gab der Mann ein Planziel für die Knöllchen vor. „Quote!“, schrie darauf die Autofahrerlobby in Gestalt der Morgenpost, Vertrauensverlust bei den Bürgern befürchtete die Polizeigewerkschaft GdP. Gestern Nachmittag war die Anweisung mit der Quote vom Tisch. SPD-Verkehrsexperte Christian Gaebler hielt die Empörung dennoch für übertrieben: „Wer regt sich denn über so etwas auf? Doch nur Autofahrer, die sich verkehrswidrig verhalten.“

Das sieht auch Michael Cramer so, Gaeblers grüner Fachkollege im Abgeordnetenhaus. Wer richtig parke, dem drohe auch bei einer Knöllchenquote nichts. Die Falschparker seien ohnehin gegenüber den Schwarzfahrern in Bus und Bahn im Vorteil: 10 Euro kostet das Knöllchen. 30 Euro, ab nächstem Jahr voraussichtlich 40, zahlt hingegen, wer ohne Fahrschein erwischt wird.

Cramer forderte daher eine „Kampagne gegen Schwarzparker“, ähnlich den Anti-Schwarzfahrer-Offensiven in Bussen und Bahnen. „Der Schwarzfahrer schädigt zwar die öffentlichen Kassen, aber der Schwarzparker gefährdet andere direkt“ – wenn etwa der Rettungsweg blockiert oder die Sicht verstellt ist.

Der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Alexander Kaczmarek, sprach sich zwar dafür aus, die Straßenverkehrsordnung konsequent durchzusetzen. Eine Quote sei aber eine Frage der inneren Organisation. Die Polizei dürfe dadurch nicht von wichtigeren Aufgaben abgehalten werden.

Die GdP hatte die Quote als Abzocke verurteilt. Der Senat dürfe seine Kasse nicht mit Bußgeldern auffüllen, befand die Gewerkschaft. Die Polizeiführung wehrte sich gestern: Die Knöllchenquote bedeute keine Kassenfüllung. Nach Angaben der Innenverwaltung gibt es keinen Druck, wegen der Haushaltsmisere mehr Bußgelder einzutreiben. „Da besteht kein Zusammenhang“, sagte Behördensprecherin Henrike Morgenstern.

Ihr Chef, Innensenator Ehrhart Körting (SPD), hatte sich gestern Morgen mit dem Pankower Abschnittsleiter zusammengesetzt, dem Autor der kritisierten Dienstanweisung. „Im Anschluss an das Gespräch war man sich einig, dass mit der Festlegung einer Quote über das Ziel hinausgeschossen wurde“, sagte Morgenstern. Am primären Ziel, das Falschparken einzudämmern, soll sich nichts ändern.

An derartigen Ordnungswidrigkeiten verdient Berlin – gemessen an seinen Gesamteinnahmen – weniger als andere Städte. 53,6 Millionen Euro aus Bußgeldern für Autofahrer sind im Haushaltsentwurf 2002 eingeplant, so viel wie im vergangenen Jahr – knapp 0,26 Prozent des gesamten Etats für dieses Jahr. In Dresden ist dieser Anteil hingegen mehr als zweieinhalbmal so groß, in Hamburg macht er immerhin 0,31 Prozent aus.