Art & Economy am Steindamm

Mit acht Installationen probte die Interessengemeinschaft Steindamm am vergangenen Wochenende eine kulturelle Aufwertung der Durchgangsstraße am Hauptbahnhof

Konkrete Vorschläge für städtebauliche Maßnahmen sind es nicht. Mit den temporären Installationen im öffentlichen Raum am Steindamm wolle man lediglich „Aufmerksamkeitspunkte“ setzen, sagt Lothar Steffen, Hamburger Vorsitzender des Bund Deutscher Landschaftsarchitekten. Schließlich, da macht das Mitglied der von der Interessengemeinschaft Steindamm (IST) zusammengerufenen Auswahljury keinen Hehl draus, würden sich die Architekten von der Aktion zukünftige Aufträge versprechen. Und so wurden am vergangenen Wochenende PassantInnen in St. Georg durch Kunst auf dem Steindamm irritiert und aufgefordert, ihre Ansichten von der Meile zu überdenken.

Die acht ausgewählten Arbeiten sind das Ergebnis eines Workshops von über 30 Studierenden der Universität Essen, der TU Harburg und der HfbK Hamburg, der im Mai unter Anleitung von Dozentin Christiane Sörensen in Hamburg stattfand. Dem Motto der Aktion „Hamburger Grüntöne 2002: Freiraum Steindamm“ kam allerdings niemand der Beteiligten so richtig nach: Aufgefordert, das räumliche Erscheinungsbild des Steindamms zu durchleuchten und Anregungen zu formulieren, kam keine der StudentInnen auf die Idee, mit Bäumen den Aufenthalt an der vierspurigen Durchgangsstraße angenehmer zu gestalten. Stattdessen überwogen Vorschläge, die dazu auffordern, einen anderen Blick auf das Vorhandene zu werfen.

Neben Postkarten, die für viele PassantInnen unbekannte Blicke von Bodybuilding-Studios und Gemüseläden auf die Straße hinaus zeigen, boten beispielsweise mehrere begehbare Kuben auf der Straße einen neuen „Point of View“. Die Installation gleichen Namens richtete nicht nur durch ein eingelassenes Fenster den Fokus auf die unterschiedlichsten Aspekte des Viertels, wie etwa die Moschee oder auch die unwirtlichsten Plätze der Straße. Durch eine auf Folie gemalte Utopie waren die Aussichten zugleich verfremdet und regten zum Nachdenken an.

Dass die Sperrholzkuben bereits am Tag ihrer Aufstellung von Obdachlosen als Schutz vor Regengüssen genutzt wurden, war für Wolfgang Schüler, von der Interessengemeinschaft bestellter Quartiersmanager und ebenfalls Jurymitglied, eher Anlass zur Belustigung denn ein Ärgernis. Anders als bei der Interessengemeinschaft Colonnaden schlägt hier niemand härtere Töne gegenüber den Junkies und Wohnungslosen an. Man mag einwenden, dass sowohl der derzeitige als auch der abgewählte Senat mit einer aggressiven Vertreibungspolitik dieses „Problem“ am Steindamm längst weitgehend beseitigt hat. Doch die IST, so ließ Schüler durchblicken, will gerade die disparaten Aspekte des Viertels betonen, die „bunte Mischung“ zu einer Attraktion machen.

Zu dieser Mischung zählt die IST auch die zahlreichen BewohnerInnen des Viertels, die in der ersten, zweiten oder dritten Generation aus der Türkei kommen. Sie hat sich daher für den Neubau einer Moschee am Steindamm stark gemacht. Die Pläne hierfür liegen allerdings seit Mai auf Eis, weil das Bezirksamt Mitte an einem älteren Bebauungsplan festhält. Christiane Müller-Lobeck