Der Sinkflug ist beendet

Die Nachwehen des 11. September scheinen überstanden, die Luft- und Raumfahrtbranche hebt wieder ab. Das bringt mehr Jobs in Bremen – und auch mehr Rüstungsprojekte an die Weser

„Der europäische Standort für bemannte Raumfahrt ist Bremen.“

Frohe Nachrichten aus dem Airbus-Konzern: Die Auftragsbücher füllen sich wieder, der Durchhänger, der sich in der Luftfahrtindustrie besonders nach dem 11. September zeigte, scheint überwunden. „Es ist nicht so schlimm gewesen wie befürchtet“, sagt Gerd Gerdes, Bremer Personalchef der Airbus Deutschland GmbH. Beim „Tag der Wirtschaft“ an der Universität verbreitete die Branche Optimismus. Die im Frühjahr eingeführte Kurzarbeit bei Airbus wird in Bremen vorerst „ausgesetzt“, 87 Ingenieure neu eingestellt. Macht der Bund demnächst die Milliarden für den Militärtransporter A 400M locker, will der Airbus-Chef weitere 120 bis 200 Stellen schaffen.

Norddeutschland einschließlich Bremen sei die drittgrößte Luftfahrt-Industrieregion weltweit, betonte Gerdes, der Flugverkehr werde auch in Zukunft noch zunehmen und der Markt damit wachsen. Handelskammer-Präses Dirk Plump verwies auf das für 27,4 Millionen Euro – ein Viertel der Summe kam aus dem Landeshaushalt – errichtete „Airbus Material and System Technology Center“, in dem die Antriebssysteme für den Airbus A380 entwickelt worden seien. Diese würden jetzt in Bremen gebaut.

Optimismus verbreitet auch Josef Kind, Leiter der Abteilung Raumfahrt-Infrastruktur bei der Ariane-Konstrukteurin Astrium GmbH. Die Weltall-Vorhaben seien zwar europaweite Projekte, Bremen besitze aber „alle Voraussetzungen“, um sich klar als Raumfahrtstandort zu profilieren: „Der europäische Standort für die bemannte Raumfahrt ist Bremen. Das haben alle europäischen Partner akzeptiert.“ Im Oktober 2003 kommt sogar der Weltraumfahrt-Kongress an die Weser: Über 2.500 Astro-Experten werden sich dann in den Bremer Messehallen über ihre Aktivitäten im Orbit austauschen.

1.500 Raumfahrt-Arbeitsplätzen und 400 Millionen Euro Umsatz pro Jahr zum Trotz: 70 Prozent der Aufträge kommen vom Staat, große Steigerungen sind hier kaum zu erwarten. „Raumfahrt an sich ist keine Wachstumsbranche“, wiegelt Kind allzu große Hoffnungen ab. Erst jüngst fiel das von Astrium mitgebaute Weltraum-„Rettungsboot“ X-38, das die zukünftigen Astronauten der Internationalen Raumstation ISS im Notfall sicher zur Erde zurück bringen sollte, dem Rotstift der NASA zum Opfer.

Ein mögliches Dauerstandbeinfür den Raumfahrtstandort Bremen sieht Kind in einem Zentrum für den Betrieb und die Nutzung der Internationalen Raumstation, das er jetzt an die Weser holen will. Service-Garage statt Raumschiff-Schmiede? „Es wird nicht jedes Jahr eine Raumstation gebaut“, rechtfertigt sich der Astrium-Chef.

Wirtschaftsprofessor Wolfram Elsner ist da optimistischer: Der Weltraum, ist er überzeugt, werde in Zukunft für alle möglichen Aktivitäten erschlossen werden: „Das ist ein gigantischer Markt.“ Bremen habe den entscheidenden Vorteil, dass es Hauptsitz eines der weltgrößten Raumfahrtkonzerne sei und zudem über „Systementwicklungskompetenz“ in diesem Bereich verfüge.

Sorge bereitet Elsner indes der erneut wachsende Anteil an Rüstungsaufträgen. Zwar unterstrich Kind auf Nachfrage, dass es bei Astrium „null Prozent Rüstung“ gebe – abgesehen von einigen sowohl militärisch wie zivil nutzbaren Systemen wie etwa Aufklärungssatelliten. Die OHB-System GmbH, Bremens zweite Weltall-Firma, hat indes bereits zwei gewichtige Rüstungsaufträge an Land gezogen. Das könne auch auf andere abfärben, fürchtet Elsner.

Anders als die Raumfahrtindustrie sitzt die Luftfahrt-Branche in Bremen – Airbus hin, Airbus her – nicht ganz so fest im Sattel. Marion Salot, die in Bremen über Konkurrenz in der Flugzeugindustrie promoviert, weiß: „Es gibt die Tendenz bei transnationalen Konzernen, innerhalb eines Landes die Aktivitäten am jeweiligen Hauptstandort zu konzentrieren.“ Im Falle von Airbus wäre das – Hamburg.

Armin Simon