Familien-Blues

Shana Morrison, Tochter des groben Van, bewies im Meisenfrei, dass sie auch gute Musik machen kann

Der psychologische Bestseller über „Das Drama des begabten Kindes eines berühmten Künstlers“ ist noch nicht geschrieben, dabei würden viele doch zu gerne lesen, wie das so ist, wenn der Vater Johann Sebastian Bach, Thomas Mann, Bob Dylan oder Kirk Douglas heißt und man selber auch Komponist, Schriftsteller, Popmusiker oder Schauspieler wird. Wir wissen, dass der Schatten des Vaters für viele übermächtig war, und die irische Blueslegende Van Morrison wirft einen sowohl groben wie auch breiten Schatten. Seine Tochter Shana aber scheint damit sehr souverän umzugehen.

Seit acht Jahren macht die in San Francisco lebende Shana Morrison selber Musik. Zuerst lernte sie zwar etwas „Ordentliches“ und studierte Betriebswissenschaften, doch dann nahm ihr Daddy sie auf eine Konzerttournee mit, und sie kam auf den Geschmack. Mit ihrer Band „Caledonia“ spielte sie in kleinen Clubs und entwickelte langsam ihren Stil, indem sie mit Musikern wie Bonnie Raitt, John Lee Hooker und Lyle Lovett spielte. Nun ist sie musikalisch reif genug für ihr erstes Soloalbum – und den ersten Auftritt in Deutschland.

Dass der ausgerechnet in Bremen stattfand, ist nicht weiter überraschend, denn die Jazz- und Popredaktion von Radio Bremen hat schon immer junge Talente in den USA und Kanada gefunden und nach Bremen eingeladen. In früheren Jahren wäre der Auftritt von Shana Morrison wohl einer der Höhepunkte eines „women in (e)motion“-Festivals gewesen, aber ein solches gibt es zumindest in diesem Jahr nicht mehr, und so ermöglichte „Sparkasse in Concert“ dieses Debüt am Sonntagabend im Blues-Club „Meisenfrei“.

Allzu blueslastig war das Konzert aber nicht. Shana Morrison sang stattdessen in einem typischen, sehr süffigen Westcoast-Stil, der verschiedene Stile wie Soul, Latin-Rock, Pop und Rhythm’n’Blues zu einer Melange vermischt und bei dem solche Refrains wie „Rollin‘ and Rockin‘ in the Streets of Hollywood“ einfach dazugehören. Da konnte man viele Vorbilder entdecken, bei einigen der „Eigenkompositionen“ war man knapp davor, zu erraten, wo genau ein Riff oder eine Harmoniefolge abgekupfert wurde, aber dann konnte doch jeder Song für sich alleine bestehen.

Shanas Stimme klingt frisch ist manchmal etwas spröde, dochverletzlich und dadurch sehr wandlungsfähig. Mit ihr kann die Sängerin genauso gut ein Loblied auf ihre alte Oma in Irland wie „God Must Love Me“ und einen rockigen Popsong wie „Cherry on Top“ singen. Und wie professionell die Sängerin an ihrer Karriere arbeitet, sieht man auch an ihrer Begleitband: Vier junge, schon so routinert wie alte Hasen spielende Musiker, darunter zwei Gitarristen, die sich gegenseitig gut ergänzten, indem Chris Collins für den rockig, elektrischen Kältestrom und Jimi Fischer für den akustisch, harmonischen Wärmestrom sorgt.

Der Name des Vaters wurde auf der Bühne nicht einmal erwähnt (da wird der Analytiker hellhörig), aber jeweils am Ende der Sets sang Shana eines seiner Lieder. Dagegen verblassten die Eigenkompositionen dann doch deutlich: Sie klangen nett, blieben aber nicht im Ohr. Auf dem Heimweg pfeiffen konnte man dagegen Van Morrisons „Sometimes We Cry“ oder seinen „Moon Dance“, aber dies auch nur, weil Shana sie so gut interpretierte: zugleich liebevoll und respektlos. Daddy kann stolz sein!

Wilfried Hippen