WAHL IN BOLIVIEN: 18 PROZENT SIND EIN ZWIESPÄLTIGER ERFOLG
: Mit Koka gegen das Imperium

18 Prozent. Wovon Westerwelle träumt, das hat Evo Morales, Chef der bolivianischen Kokabauern, nach ersten Hochrechnungen erreicht. Ein vehementer Kritiker des Neoliberalismus und der US-Dominanz in Lateinamerika, dazu Vertreter einer „Opfergruppe“ gewinnt Einfluss. Noch im Januar hatten die anderen Parteien den Abgeordneten in einer konzertierten Aktion aus dem Parlament geworfen. Der Vorwurf: Morales sei für Ausschreitungen von Kokabauern, die sich gegen die Vernichtung ihrer Felder wehrten, politisch verantwortlich. Jetzt kehrt Morales zurück, stärker denn je.

Von der „heiligen Pflanze“ Koka spricht Morales, und wortgewaltig beschwört er andine Traditionen. Herkömmlichen Konsum von Kokablättern gibt es zweifellos – nur ist Morales in diesem Punkt kaum glaubwürdig. Die Koka aus dem Chapare wandert in die Kokainproduktion, das wissen die Bauern, das weiß Evo Morales. Und sie bringt Geld. Das Geschwätz von der Tradition ist hier Fassade, sorgfältig aufgebaut, um sowohl in Bolivien als auch international um Unterstützung zu werben.

Evo Morales ist einer der Spitzenvertreter der bolivianischen Bauernbewegung, Personifizierung ihrer zunehmenden Präsenz wie auch ihrer größten Schwäche, der Zersplitterung. In Machthunger und Eitelkeit steht er seinen Konkurrenten in der Bewegung in nichts nach. Dem nächsten Kabinett wird Morales allerdings nicht angehören – kein Kandidat für das Amt des Regierungschefs wird sich trauen, ihn einzubinden. Zu groß ist die Abhängigkeit von den USA. Dabei war ausgerechnet US-Botschafter Rocha bester Wahlhelfer des obersten Kokabauern, weil er mit schweren Konsequenzen drohte, sollte Morales die Wahl gewinnen.

Eine so plumpe Einmischung musste den weit verbreiteten Anti-Gringo-Reflex mobilisieren. Evo Morales wird jetzt ein führender Kopf der Opposition sein, einer, der Armut und Ungerechtigkeit bekämpft und gleichzeitig als Chef von Bauern fungiert, die – und sei es mangels Alternative – de facto doch ein Rädchen im Getriebe des internationalen Drogenhandels sind. ULRICH GOEDEKING

Der Autor ist Soziologe und freier Journalist in Berlin.