Einbruch – Aufschwung – Rezession

Nachdem es für die asiatischen Tigerstaaten 1999 und 2000 wieder aufwärts ging, war 2001 ein schwaches Jahr

BANGKOK taz ■ Im Laufe der Jahre hat sich ein Riesenberg Papier angehäuft, die Büroregale sind voll gestopft: Infomaterial, Fallstudien, Zeitungsausschnitte. Hier, in Bangkok, sitzt „Friends of Women“. Die Organisation macht sich vor allem für die Rechte von Arbeiterinnen stark.

Die haben seit der Asienkrise besonders zu kämpfen. Allein 1997, zu Beginn der Krise, haben fast 45.000 Thailänder in der verarbeitenden Industrie ihren Job verloren. „Nach offiziellen Angaben sind bis heute etwa eine Million Arbeiter betroffen, 60 Prozent davon sind Frauen“, sagt Jaded Chouwilai, Mitarbeiter bei Friends of Women.

Die damalige thailändische Regierung hatte während der Krise Kredite vom Internationalen Währungsfonds und der Asian Development Bank erhalten. Damit wollte sie die Wirtschaft wieder ankurbeln. Doch vielen, die auf der Straße standen, nützte das wenig. „Das Problem ist“, erklärt Jaded, „dass sie ihre Kredite nicht zurückzahlen konnten.“ Entweder verdienten sie zu wenig Geld, oder sie fanden keine neue Arbeit mehr, weil sie zu alt waren. Viele Frauen haben seitdem auf unterschiedlichste Art versucht, ihre Probleme zu lösen: Manche von ihnen arbeiten ille gal in Fabriken. Andere haben sich ein kleines Geschäft aufgebaut, indem sie Snacks und Süßigkeiten am Straßenrand verkaufen. Viele sind in ihre Heimatdörfer zurückgekehrt. Gut bezahlte Arbeit gibt es natürlich auch dort nicht, aber immerhin ist das Leben weitaus billiger als in Bangkok.

Nachdem es für die asiatischen Tigerstaaten 1999 und 2000 vor allem wegen guter Exportdaten wieder aufwärts ging, war 2001 ein schwaches Jahr. Laut Asian Development Bank sackte das Wirtschaftswachstum in Indonesien von 5 auf 3,3 Prozent, am wieder erstarkten Boomstandort Südkorea von satten 9,3 auf 3 Prozent, in Malaysia von 8 auf nur noch 0,4 Prozent.

Malaysia stellt einen Sonderfall dar. Während sich zu Beginn der Asienkrise Indonesien und Thailand den rigiden Kreditvorgaben des IWF beugten, ging Malaysias Premier Mahathir Mohamad einen anderen Weg: Er versuchte, den Währungshandel zu reglementieren – mit der Konsequenz, dass das Land zeitweise mit weniger Schulden dastand als die IWF-hörigen Nachbarstaaten. V. Nagarajah Gnanathurai, stellvertretender Chefökonom der Asian Development Bank in Manila, lehnt gegenüber der taz einen direkten Vergleich Malaysias mit anderen Krisenländern ab. „Jedes Land profitiert in gewissem Umfang vom Erholungsprozess von 1999 und 2000.“ Gnanathurai sieht Malaysia sogar auf dem Weg zum „voll industrialisierten Land bis 2020“, Stabilität und die Beibehaltung des Wirtschaftswachstums in der Region natürlich vorausgesetzt.

Der Absturz in der IT-Branche, der 11. September und die Schwächen im Bankensektor verstärkten im letzten Jahr den Abschwung. Eines der drängendsten Probleme bleibt: das der faulen Kredite. Während Südkorea sein Bankensystem nahezu kompromisslos saniert hat, haben Thailand und Indonesien wichtige Entscheidungen aufgeschoben. Konkursverfahren wurden nicht konsequent zu Ende gebracht. Allerdings bemühen sich die Asean-Staaten mittlerweile, an einem Strang zu ziehen, um die Vision einer asiatischen Freihandelszone (Afta) zu verwirklichen. Dieser sollen in zehn Jahren auch China, Japan und Südkorea angehören.

Politisch bleibt die Zeit nach dem wirtschaftlichen Crash brisant: Kämpfen doch Indonesien und die Philippinen weiterhin mit ethnischen Konflikten, klagen ausländische Investoren in Indonesien auch unter der Regierung von Präsidentin Megawati Sukarnoputri über Korruption und das Fehlen von Reformen vor allem im Rechtssystem. Politisch stabil hat sich lediglich der malaysische „Tiger“ unter Premier Mahathir Mohamad gezeigt. Doch diese Ära wird in absehbarer Zeit zu Ende gehen.

In Thailand waren seit dem Ausbruch der Asienkrise verschiedene Premierminister an der Macht. Die jetzige Regierungspartei Thai Rak Thai („Thais lieben Thais“) unter Thaksin Shinawatra ist seit Anfang 2001 im Amt. Sie ist vor allem als Anwalt der „kleinen Leute“ angetreten, aber viele sind ernüchtert von der Tagespolitik. Es bleibt noch viel zu tun für die „Friends of Women“.

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