Bremer Pisa-Fiasko relativiert

Pädagogik-Professorin rechnet Unterschiede zu Bayern kleiner

Eine Bremer Professorin tritt an, den Ruf der nach Pisa schwer angeschlagenen SPD-Bildungspolitik zu retten. „Die wahlkampflogische Folgerung: Je schlechter, desto SPD“ sei nach ihren Berechnungen nicht haltbar, so die Bremer Erziehungswissenschaftlerin Ursula Carle.

Die Professorin für Grundschulpädagogik an der Bremer Uni hat die Ergebnisse der jüngsten Pisa-E-Studie neu bewertet und kommt zu dem Ergebnis, dass bei anderer Rechenweise Bremen und Bayern gleich abschneiden würden. Dazu müsste die Studie um zwei im Ländervergleich verzerrende Faktoren rechnerisch bereinigt werden: Einerseits um den in den Ländern sehr unterschiedlichen Anteil von Gymnasiasten, andererseits um die verschieden hohen Quoten von Kindern eingewanderter Eltern.

Der Studie zufolge bestehen in Bremen 31,3 Prozent der SchülerInnen das Abitur, in Bayern nur 19,7 Prozent. Zugleich nahmen am Bremer Pisa-Test mit 40,7 Prozent doppelt so viele SchülerInnen aus Einwandererfamilien teil wie in Bayern (22,4 Prozent) teil.

Liegt Bayern im offiziellen Pisa-Leistungsvergleich fast durchgängig auf einem ersten Listenplatz, während Bremen weit abgeschlagen ganz hinten rangiert, müssten sich Carles‘ Neuberechnung zufolge Bremen und Bayern sogar einen zweiten Listenplatz im Bundesvergleich teilen – hinter Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Insgesamt würde sich das Parteien- bzw. Länder-Ranking deutlich zu Gunsten SPD-regierter Länder verändern.

Bayern dagegen verlöre seine Spitzenposition, wenn angemessen berücksichtigt würde, dass es nur wirtschaftlich betrachtet ein Geberland, bildungspolitisch aber ein Nehmerland sei, so die Bremer Professorin. „Würde Bayern annähernd so viele MittelschülerInnen zum Abitur führen, wie die meisten der alten SPD-Länder, läge sein Ergebnis für Gymnasien im Mittel deutlich niedriger und damit annähernd im deutschen Mittelfeld.“ Im Musterland Finnland dagegen, so Carle, studierten 66 Prozent eines Jahrgangs.

Eine Einschränkung allerdings macht Carle zur Aussagekraft ihrer Berechnungen: Die der Pisa-E-Studie zu Grunde liegenden Testdaten seien der Fachöffentlichkeit noch nicht zugänglich. Insofern habe sie nur mit bislang veröffentlichten Angaben gearbeitet – was aber für ihren „pädagogisch außerordentlich aufschlussreichen und aussagefähigen Korrekturversuch“ ausreiche. Bei aller Neubewertung steht aber auch für Carle fest, dass das deutsche Bildungssystem wie die -politik „wirkungsarm“ bleiben – auch für deutsche Arbeiterkinder. ede

Studie unter: www.grundschulpaedagogik.uni-bremen.de