vorlauf kunst Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um

Das Jahrhundert besteht aus römisch durchnummerierten, linierten DIN-A4-Seiten. Den Monaten steht für jeden ihrer Tage eine Zeile zur Verfügung. Die Monatsnamen sind handgeschrieben, aber die Zahlen, die folgen, stammen von einer Schreibmaschine. Die zwei großen Blöcke mit diesen Schreibübungen an den Wänden der Galerie Ascan Crone lassen diese als einen Vorposten der documenta 11 erscheinen. Denn die Künstlerin, die Ascan Crone zurzeit ausstellt, ist natürlich Hanne Darboven. Sehr verdienstvoll zeigt die Galerie zwei frühe Arbeiten der Hanseatin: „Ein Jahrhundert I a“ und „Ein Jahrhundert I b“, beide von 1973. Die Zahlen können auch als Nummern gelesen werden, die etwa die Quersumme eines Monatsdatums repräsentieren. Jenseits des jeweiligen Ordnungssystems („mein Geheimnis ist, ich habe keines“) will Darboven, dass man die Blätter als unmittelbar visuelles Bild sieht.

Minimalistisch hat auch Günter Tuzina vor etwa 25 Jahren auf sich aufmerksam gemacht, mit einer von links unten nach rechts oben verlaufenden Linie. Sie war zeichnerisches Mittel und abgebildetes Objekt zugleich; minimalistisches Material und expressiver Körperausdruck, denn sie war per Hand gezogen. Aus der Linie sind inzwischen Rechtecke geworden, die mal nebeneinander liegen, mal ineinander gestapelt sind. Und wie man nun bei Max Hetzler in der Zimmerstraße sehen kann, hat Tuzina auch die Farbe entdeckt. Eine Hinterlassenschaft seiner Liebe zur Zeichnung ist die Kreide, mit der er fallweise die Rechtecke akzentuiert. Rund zehn mal fünf Meter misst „I see Blue and Black“, das die gesamte Galeriewand einnimmt: schiere Wucht. Doch in den kleinen Bildern glänzt die Ölfarbe im stumpfen Acryl nicht minder überwältigend.

Anregungen: vorlauf@taz.de Freitag kommt Konzert