Die lange Rückkehr der alten Generäle

Die Statuen derer von Scharnhorst und von Bülow kehren Unter die Linden zurück – jedoch nicht an ihre früheren Plätze neben der Neuen Wache

Die Hauptstadt der geschichts- und denkmalpolitischen Debatten ist in wenigen Wochen um eine ihrer geliebten Diskurse ärmer: Nach fast zehn Jahren teils erbitterter Auseinandersetzungen kehren die marmornen Standbilder der preußischen Generäle Gerhard von Scharnhorst und Graf Bülow von Dennewitz Unter die Linden zurück, wie Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) und Kultursenator Thomas Flierl (PDS) nach einem Senatsbeschluss verkündeten.

Damit stehen die heroischen Kunstwerke des Bildhauers Christian Daniel Rauch wieder an ihrem ursprünglichen Ort östlich des Denkmals vom Alten Fritz auf dem Prachtboulevard – mit einem kleinen, entscheidenden Unterschied: Sie haben die Straßenseite gewechselt. Die Militärs rahmten von 1822 bis 1948 die Neue Wache rechts und links des Schinkel-Baus ein. Nun sollen sie gegenüber der klassizistischen Säulenhalle stehen, im so genannten Prinzessinnengarten.

Das ist ein klassischer Kompromiss – wohl kaum möglich Anfang der Neunzigerjahre. Damals nämlich wurde erhitzt über die Gestaltung der Neuen Wache diskutiert. Ihrer ausgesprochen schwierigen Vorgeschichte und geplanten Aufgabe wegen.

In der Spätphase der Weimarer Republik, 1931, wurde Schinkels Bau, errichtet zwischen 1816 und 1818, vom Architekten Heinrich Tessenow zu einem Ehrenmal zum Gedenken an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs umgestaltet. Schon damals standen die Statuen Scharnhorsts und Bülows neben der Neuen Wache. Als die Nazis zwei Jahre später an die Macht kamen, feierten sie hier ihren düsteren Kriegskult.

Trotz (oder gar wegen?) dieses Vorlaufs zelebrierten nach dem Zweiten Weltkrieg hier Soldaten der Nationalen Volksarmee für ihren Staat eine martialische Wachablösung – eine der zweifelhaften Attraktionen der „Hauptstadt der DDR“. Die Statuen der Generäle waren nach 1945 ins Depot … sagen wir: marschiert.

Die Scharnhorst-Statue allerdings wurde schon 1963 wieder aus dem Lager herausgeholt: Die DDR berief sich ganz gern auf den preußischen Militärreformer, der eine Art Volksheer geformt hatte. Allerdings wurde seine Statue nun neben der Oper aufgestellt. Zu viel Traditionsbewusstsein sollte dann doch nicht gezeigt werden. So ist auch zu erklären, dass Bülow im Depot blieb. Schließlich war dieser Militär zwar ein kluger Stratege und einer der Sieger in der Völkerschlacht von Leipzig und in Waterloo über Napoleon, der fast ganz Europa beherrscht hatte. Bülow war aber im Gegensatz zu Scharnhorsts kaum als großer Reformer zu vereinnahmen.

Auf Betreiben des damaligen Kanzlers Helmut Kohl (CDU) wurde die Neue Wache nach der Wiedervereinigung dann zur „Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik“ umgeformt, der alte Innenraum der Halle aus dem Jahr 1931 rekonstruiert. Hinzu kam, dem Wunsch Kohls folgend, im Zentrum des Baus eine fünfmal vergrößerte Kopie der Statue „Trauernde Mutter mit totem Sohn“ von Käthe Kollwitz (1867–1945). Eine Vereinbarung des Kanzleramtes und des Senats mit den Nachfahren der Bildhauerin machte dies möglich.

Allerdings forderten die Kollwitz-Erben, dass auf keinen Fall die Statuen derer von Scharnhorst und von Bülow an ihren ursprünglichen Ort zurückkehren dürften. Im Kanzler-Deal wurde festgelegt, „der Plastik der pazifistischen Künstlerin keine preußisch-militärischen Denkmäler gegenüberzustellen“. Geschehe dies dennoch, so drohte Arne, der Enkel von Käthe Kollwitz, in den folgenden Jahren, „behalten wir uns vor, die Plastik abzuziehen, sie zu zertrümmern und einzuschmelzen“.

Dazu wird es – obwohl nun tatsächlich die Statuen der Generäle der trauernden Mutter „gegenüberstehen“ – nicht kommen. Strieder berichtet, bei einem Gespräch mit ihm im vergangenen Jahr habe Arne Kollwitz aus kunstgeschichtlichen Gründen eine Aufstellung der Standbilder „auf der anderen Straßenseite begrüßt“. Vielleicht auch, weil im neuen Standort eine tiefere Symbolik steckt: Von hier können die Generäle mit starrem Blick künftig besser sehen, was ihr Tun anrichtet.

PHILIPP GESSLER